Plätze gibt es – wie schon erwähnt - in Karlsruhe viele; lauschige, rauschige, stille und schrille. Ein langsam zu neuem Leben erwachender Geheimtipp ist der dreieckige Lidellplatz in der östlichen Innenstadt, an der Kreuzung Markgrafen- und Adlerstraße gelegen. Früher war hier das städtische Spital; ein Wohltäter der Einrichtung gab dem Ort seinen Namen. Erst 1907 bezogen die ersten Kranken das Klinikum in der Moltkestrasse.
Heute bleibt dem Besucher nur die Selbstmedikation in der Carlos Cocktailbar. Die macht hier bei gehobener- besonders im Vergleich zu den verbreiteten untrinkbaren Happy-Hour-Angeboten - Cocktailqualität richtig Spaß. Mit drei Mojitos und etwas Fantasie erinnert der Barkeeper mit seinem weißen Kittel dann sogar an das Pflegepersonal in der geschlossenen Psychiatrie. Und das genialste: etwaige Kinder sind auf dem benachbarten Spielplatz derweil bestens versorgt.
Hat der Alkohol mächtige Löcher in den Magen gerissen, die sich mit Carlos´ Tapas nicht stopfen lassen, wankt man leicht ein paar Meter weiter - den Spielplatz immer im Blick - zum Kleinen Ketterer. Gegessen wir hier zwar nicht ganz Preiswert, aber dafür gutbürgerlich. Gegenüber gäbe es noch den Gewerbehof, aber im Café Palaver trinkt die Öko-Boheme – Männer in roten, gelben oder grünen Jeans, Mädchen im Landfrauen-Look – von Gemüselasagne gesättigt ihren Capuccino. So leicht beschickert ist das heute nichts und den Spielplatz sieht man von dort auch nicht. Lieber noch ins Café Bohne und den Melasse-Geist mit ein, zwei Espressi austreiben. Zeit genug, sich noch ein wenig die Geschichte des Ortes zu vergegenwärtigen: Seine originelle Form verdankt das Areal dem Verlauf des Landgrabens, der den Karlsruhern zunächst als Transport-, später als Abwasserkanal diente. 1794 erteilte der Markgraf in seiner Weisheit allerdings einem Müller in Mühlburg die Konzession für eine Mühle. Durch deren Betrieb wurde der Landgraben einen Meter aufgestaut wurde. Das sollte sich rächen. Der Landgraben verschlammte und belästigte die Bürger im Sommer durch starke Geruchsentwicklung. Das Problem wurde gelöst, indem man die stinkende Kloake, die bei hohem Wasserstand obendrein die anliegenden Gebiete überschwemmte, mit einem Gewölbe überbaute. Die Kosten bürdete der fürstliche Verursacher freilich den Anwohnern auf, übertrug ihnen aber wenigstens das Eigentumsrecht an den neuen oberirdischen Flächen über dem Graben. Die Arbeiten nahmen am Lidellplatz ihren Anfang. Endlich mal eine kommunale Baumaßnahme, die sich gelohnt hat: Viel Platz zum Draußen sitzen, zum spielen und stinken tut´s auch nicht. (mex)
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