Montag, 31. August 2009

Tina Theune ist nicht der „Dritte Mann“

Beim KSC geht die Suche nach einem Nachfolger für den geschassten Trainer „Ede“ Becker offenbar weiter. KSC-Pressesprecher Jörg Bock kommentierte Gerüchte, die ehemalige Fußball-Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft und Frau des Jahres 2006, Tina Theune, sei der geheimnisvolle „Dritte Mann“ neben den Kandidaten Jürgen Kohler und Markus Schupp und werde heute als neue - und erste im männlichen Profifußball – Cheftrainerin im Wildpark unterschreiben, folgendermaßen: „Das würde mich sehr wundern. Die einzige Frau, die ich hier heute gesehen habe war unsere Busfahrerin.“
Schade eigentlich, denn ein wenig Sexappeal stünde dem derzeit reichlich zerzaust wirkenden Traditionsverein und seiner arg unattraktiv spielenden Mannschaft durchaus gut zu Gesicht. (mex)

Freitag, 28. August 2009

Wohin bei der Hitze III: Cocktails am Kinderspielplatz

Plätze gibt es – wie schon erwähnt - in Karlsruhe viele; lauschige, rauschige, stille und schrille. Ein langsam zu neuem Leben erwachender Geheimtipp ist der dreieckige Lidellplatz in der östlichen Innenstadt, an der Kreuzung Markgrafen- und Adlerstraße gelegen. Früher war hier das städtische Spital; ein Wohltäter der Einrichtung gab dem Ort seinen Namen. Erst 1907 bezogen die ersten Kranken das Klinikum in der Moltkestrasse.
Heute bleibt dem Besucher nur die Selbstmedikation in der Carlos Cocktailbar. Die macht hier bei gehobener- besonders im Vergleich zu den verbreiteten untrinkbaren Happy-Hour-Angeboten - Cocktailqualität richtig Spaß. Mit drei Mojitos und etwas Fantasie erinnert der Barkeeper mit seinem weißen Kittel dann sogar an das Pflegepersonal in der geschlossenen Psychiatrie. Und das genialste: etwaige Kinder sind auf dem benachbarten Spielplatz derweil bestens versorgt.
Hat der Alkohol mächtige Löcher in den Magen gerissen, die sich mit Carlos´ Tapas nicht stopfen lassen, wankt man leicht ein paar Meter weiter - den Spielplatz immer im Blick - zum Kleinen Ketterer. Gegessen wir hier zwar nicht ganz Preiswert, aber dafür gutbürgerlich. Gegenüber gäbe es noch den Gewerbehof, aber im Café Palaver trinkt die Öko-Boheme – Männer in roten, gelben oder grünen Jeans, Mädchen im Landfrauen-Look – von Gemüselasagne gesättigt ihren Capuccino. So leicht beschickert ist das heute nichts und den Spielplatz sieht man von dort auch nicht. Lieber noch ins Café Bohne und den Melasse-Geist mit ein, zwei Espressi austreiben. Zeit genug, sich noch ein wenig die Geschichte des Ortes zu vergegenwärtigen: Seine originelle Form verdankt das Areal dem Verlauf des Landgrabens, der den Karlsruhern zunächst als Transport-, später als Abwasserkanal diente. 1794 erteilte der Markgraf in seiner Weisheit allerdings einem Müller in Mühlburg die Konzession für eine Mühle. Durch deren Betrieb wurde der Landgraben einen Meter aufgestaut wurde. Das sollte sich rächen. Der Landgraben verschlammte und belästigte die Bürger im Sommer durch starke Geruchsentwicklung. Das Problem wurde gelöst, indem man die stinkende Kloake, die bei hohem Wasserstand obendrein die anliegenden Gebiete überschwemmte, mit einem Gewölbe überbaute. Die Kosten bürdete der fürstliche Verursacher freilich den Anwohnern auf, übertrug ihnen aber wenigstens das Eigentumsrecht an den neuen oberirdischen Flächen über dem Graben. Die Arbeiten nahmen am Lidellplatz ihren Anfang. Endlich mal eine kommunale Baumaßnahme, die sich gelohnt hat: Viel Platz zum Draußen sitzen, zum spielen und stinken tut´s auch nicht. (mex)

Dienstag, 11. August 2009

Wie war´s in Japan?

Wie war´s in Japan? Das ist Michael Bartsch so oft gefragt worden, dass er vor ein paar Jahren ein Buch mit demselben Titel geschrieben hat. Wie´s denn war oder vielmehr ist, wollte ich aus beruflichen Gründen auch wissen und habe den Karlsruher HfG-Professor und Medienrechtler Zuhause besucht - Ich hatte ihn und seine in Japan geborene Frau, die Konzertpianistin Okano Chisako, auf einer Grillparty kennen gelernt und mich selbst eingeladen, um etwas mehr über Ostasien zu erfahren. „In Japan wäre das unerhört“, lautet meine erste Lektion in fernöstlichen Umgangsformen, nachdem ich erst drei Minuten nach der verabredeten Zeit den Klingelknopf am Anwesen von Familie Bartsch betätigt hatte. „Zu früh ginge aber genauso wenig, in diesem Fall wartet man unauffällig um die Ecke“, erklärt mir der Hausherr. Ich verspreche stillschweigend mich daran zu halten.
Bei - gänzlich unasiatischen – Antipasti unterhalten wir uns über die geistigen Wurzeln der japanischen Kultur, die im Buddhismus, Konfuzianismus und Shintoismus liegen, Architektur, das Wetter und empfehlenswerte Reiseberichte, kommen aber immer wieder auf die viel zitierte japanische Höflichkeit zurück: Ob das beeindruckte „Oooooooohhhhhhh“, das mein japanischer Besuch bei jeder sich bietenden Gelegenheit - beim Anblick eines banalen Brunnens genauso wie angesichts der Burg Trifels - ausgestoßen hatte, nun Ausdruck wirklicher Begeisterung oder eher der Wertschätzung des Gastgebers gewesen sei, möchte ich wissen. „Sehen sie, dass ist eine typisch westliche Fragestellung, so was würde einem Asiaten nie einfallen“, sagt Bartsch. Trotz des intensiven Gesprächs bin ich am Ende eher verwirrt als klüger, doch zum Glück hat mir der Autor ja ein Exemplar seines Büchleins überlassen. Es ist sehr anekdotenhaft gehalten, doch gerade deshalb erfährt man mehr über Land und Leute als in so manchem Reiseführer. So ist im Kapitel „Höflichkeit“ zu lesen: „Ist sie Verstellung, diese japanische Höflichkeit? (…) Wie bei Wilhelm Busch: ‚Da lob’ ich mir die Höflichkeit – das zierliche Betrügen’? Im Gegenteil. Denn es gibt in der japanischen Höflichkeit nichts Unehrliches. (…) Die Kunst ist es nicht, eine schlechte Meinung zu verbergen, sondern keine schlechte Meinung zu haben.“ Da könnte man sich wirklich eine Scheibe abschneiden. „Ich wünsche Ihnen, dass es mit Ihrem Aufenthalt in Japan klappt, gerade Sie als wenig introvertierter und zurückhaltender Mensch könnten da einiges herausziehen“, hatte mir auch Bartsch mit auf den Weg gegeben. Sein Buch habe ich in einem Zug gelesen. (Bartsch, Michael: Wie war’s in Japan?, Karlsruhe 2005.)

Sonntag, 9. August 2009

Wohin bei der Hitze II: Schweinshaxen in der Toskana

Plätze und Orte, an denen man den lieben Gott einen guten Mann sein lassen kann, gibt es in Karlsruhe viele; lauschige und doch eher rauschige, stille und schrille. Der Gutenbergplatz in der Weststadt gehört zur ersten Kategorie; ganz klar. Mit seinen Cafés und den vielen Mög-lichkeiten zum Draußen sitzen hat er, was jugendliche heute eine „chillige Atmosphäre“, die Toskana-Fraktion „mediterranes Flair“ und Traditionalisten einfach „badische Gemütlichkeit“ nennen würden.
Wo bis 1829 Köpfe rollten und sich später die großherzoglichen Truppen im schießen übten, wird heute allenfalls noch Zielwasser getrunken. Im Sommer gleicht der Platz mit seinen Gaststätten, Cafes und Kneipen einem großen Biergarten. Das gilt allerdings nur für die Nordhälfte mit dem markanten Krautkopfbrunnen, der Rest wird die halbe Woche als Parkplatz missbraucht und gleicht dann leider eher einer Blechwüste. Dienstags, donnerstags und ist Markt und der ist mit seiner hundertjährigen Geschichte nicht nur der älteste, sondern für Kenner auch der schönste Markt in Karlsruhe.
Doch zurück zum eigentlichen Thema: Vor dem Großmudder's mampft die örtliche Rentner-Schickeria im Strandkörben vorzüglichen Apfelkuchen, während ernährungsbewusste Mütter um Foccacia anstehen. Gegenüber, vor der Bar Carpe Diem, sind einige total „szenig“ wirkende Endzwanziger gerade beim Frühstück, während im Café Carré die Ersten bereits Pizza ordern. Hier chillt sogar die Bedienung: Länger habe ich noch selten auf meine Bestellung gewartet. Doch unter den alten Linden zu sitzen und dem Plätschern des großen, mit dem kupfernen Krautkopf bekrönten, Brunnens zu lauschen entschädigt für Vieles. Wer es weniger mediterran mag, bestellt sich einfach im Gasthaus Gutenberg eine Schweinshachse. Obwohl, die Bayern verstehen ja angeblich auch was von Gemütlichkeit.

Donnerstag, 6. August 2009

Fenrich will kleineres Stadion

Das Thema neues Fußballstadion wurde in den Karlsruher Medien inzwischen so oft durchgekaut, dass damit befasste Journalisten eigentlich nur noch ein neues Datum in ihre alten Artikel einfügen müssten; alles war schon mal da, alles wurde schon mal gesagt und man fühlt sich als Schreiber fast peinlich berührt, den Leser mit weiteren „Neuigkeiten“ vom Stand des allgemeinen Stillstandes zu behelligen. Aber irgendwie kommt man ja nicht drumrum: Weil die Stadt Karlsruhe wegen der Wirtschaftskrise den Gürtel enger schnallen muss, will Oberbürgermeister Heinz Fenrich im Wildpark jetzt doch kleinere Brötchen backen. Nur noch 30.000 statt den bisher angepeilten 40.000 Sitzplätzen, will Fenrich (CDU) beim Bau einer neuen Fußballarena verwirklichen. Als Grund nannte der die Wirtschaftskrise. Beim KSC wollte man sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Als weiteren Grund nannte Fenrich, dass es im nach der Kommunalwahl neu zusammengesetzten Stadtrat keine Mehrheit für eine größere Variante gebe. Eine Umfrage bei den Fraktionen bestätigte diese Einschätzung allerdings nicht in dieser Eindeutigkeit. Sollten sich CDU und SPD einigen wäre lediglich eine weitere Stimme notwendig. „Wir standen bisher hinter einem Neubau mit 30.000 bis 35.000 Sitzplätzen“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Florian Furtak, „von daher nähert sich der OB unseren Vorstellungen an“. Furtak räumt allerdings ein, dass man das Stadion-Projekt wegen der angespannten Haushaltslage eventuell neu bedenken müsse. „Es ist alles offen“, wird die Fraktionsvorsitzende Doris Baitinger deutlicher. „Für 2010 hat das Regierungspräsidium vom Gemeinderat ein Konsolidierungskonzept für den Haushalt verlangt.“ Bis dieser vorliegt, stehen alle laufenden Ausgaben auf dem Prüfstand. Das macht Investitionen in die Zukunft nicht einfacher.
„Die finanzielle Lage ist nun mal ein Fakt“, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Thorsten Ehlgötz. Erst einmal müssten allerdings die Pläne des Investors Newport, der an der Durlacher Allee ein neues Stadion errichten möchte, auf dem Tisch liegen. „Dann kann man sich Gedanken machen“, sagt Ehlgötz. Die Verwaltung habe den Auftrag mit Newport zu verhandeln. Ergebnisse dieser Gespräche erwartet er für September. „Dann brauchen wir zeitnah die Aussage vom KSC, ob er mit einsteigt“, sagt Ehlgötz. „Wäre der Bundesligist vor anderthalb Jahre auf die Umbaupläne der Stadt eingegangen, hätten wir jetzt schon angefangen“.
Lüppo Kramer von der KAL, die im Gemeinderat über drei Sitze verfügt, zeigt sich vom neuen Vorstoß Fenrichs überrascht: „Für ein Stadion mit 35.000 Sitzplätzen könnte man eine Mehrheit bekommen, drunter sollte man nicht gehen. Meine Fraktion würde das mittragen.“ Wichtig wäre Kramer vor allem, dass 10.000 Variositze, die sich in Stehplätze umwandeln ließen, geschaffen werden. „Damit sich auch junge Leute weiterhin eine Karte leisten können.“
Die FDP möchte weiterhin „die für die Stadt günstigste Lösung“, erklärt Fraktionsvorsitzende Rita Fromm. Favorisiert wird die Zusammenarbeit mit einem privaten Investor. Newport müsse aber endlich sagen was Sache ist: „Absichtserklärungen sind zu wenig“, so Fromm. Weiter müsse der KSC endlich erklären was er will, nicht nur Vorstellungen sondern konkrete Mitarbeit seien gefragt. Auch solle der Bürgermeister Fakten zu seinen Plänen präsentieren. „Es liegt ja nichts vor,“ sagt Fromm. – Die Grünen stehen einem Stadion Um- oder -Neubau nach wie vor ablehnend gegenüber, genauso die Linke.
Enttäuscht aber nicht überrascht von den neuen Plänen ist die Fan-Dachorganisation Supporters: „Es war abzusehen, dass es auf die günstigste Lösung herausläuft, da müssen sich Stadt und KSC gleichermaßen an die eigene Nase fassen“, sagt Tom Beck. „Wir halten in jedem Fall an unserer Forderung nach mindestens 10.000 Stehplätzen fest.“
Nach dieser kleinen Umfrage hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, den Akteuren – oder vielmehr Nicht-Akteuren, denn das Wort impliziert Handeln - mangelt es vor allem an einer fundamentalen Eigenschaft, die es braucht um etwas zu bewegen: Eigeninitiative. Es wird das Fehlen von Fakten bemängelt – sollen andere ihre Pläne erklären oder sagen „was Sache ist“. Aber: Wo sind Tatkraft, Energie, der Wille voranzukommen? Überall Fehlanzeige!
Wie viele Stadien, die in anderen Städten für kleineres Geld als in Karlsruhe wie Pilze aus dem Boden schießen, hat der Gemeinderat bisher besucht? Ein einziges! Das wollte man dann eins zu eins übernehmen. Der SPD-Fraktion fällt als Mittel zur Kostenreduktion nichts anderes als eine geringere Zuschauerkapazität ein. Die FDP fordert den Bürgermeister auf, im Städtetag anzuregen, mit dem DFB über die Auflagen für Stadien neu zu verhandeln. Hätte hier der FDP-Baubürgermeister in den entsprechenden Gremien nicht schon längst tätig werden können? Die Fans des Zweitligisten Union-Berlin haben 140.000 Arbeitsstunden unentgeltlich in den Umbau der Spielstätte ihres Clubs investiert. Könnten die Karlsruher Fanorganisationen nicht wenigstens die maroden Toiletten auf Vordermann bringen wenn sonst niemand dazu in der Lage ist? Fällt dem Traditionsverein um aktuelle sowie potentielle Partner – und vor allem die eigenen Anhänger - zu begeistern nicht mehr ein, als der ewige Sermon, man habe kein Geld und bräuchte mehr Einnahmen? – Dass sich die nicht einmal halbherzig verfolgten Ziele der Beteiligten dann noch unterscheiden, fällt angesichts dieser Fantasielosigkeit kaum noch ins Gewicht.

Montag, 3. August 2009

Der Film "Alle Anderen" hat in Berlin mächtig abgeräumt. Ich fand ihn eher langweilig, aber mit Regisseurin Maren Ade wars nett:

Erst hat der Film „Alle Anderen“ den Silbernen Bären für "Beste Regie" bei den Filmfestspielen von Berlin abgeräumt – den für die Beste Hauptdarstellerin (Birgit Minichmayr)) auch noch -, dazu Auszeichnungen im Ausland und bei Frauenfilmfestivals. Ein ganz schöner Kulturschock, wenn man seinen letzten Film noch in den Wäldern (Der Wald vor lauter Bäumen, 2003) um ein Dorf wie Hohenwettersbach bei Karlsruhe gedreht hat. Maren Ade hat dieses Jahr also schon einiges mitgemacht an Trubel. Trotzdem lässt es sich mit der Jung-Regisseurin prima Plaudern: Nein, sie sei eher Überrascht davon, dass Chris (gespielt von Lars Eidinger), der männliche Teil des Paares, das sich in der Abgeschiedenheit eines Ferienhauses auf Sardinien durch die Untiefen des ersten gemeinsamen Urlaubs kämpft, so negativ empfunden würde. Es sei ihr auch um kein spezielles Frauenbild gegangen, sondern um das Bild einer Beziehung. Tatsächlich hat Ade, die das Karlsruher Helmoltz Gymnasium besuchte (eigentlich müsste sie mit meiner ersten Knutsch-Freundin in dieselbe Klasse gegangen sein, habe ich vergessen zu fragen), weniger ein Bild gemalt, las ein Foto im Dreifachzoom geschossen: Die verschiedenen Situationen die Chris und seine Freundin Gitti in ihrer Zweisamkeit durchleben sind Konfliktklassiker. Sie nervt mal mit aufgekratztem Geplapper, mal mit bohrenden Fragen zu seinem Gefühlsleben. Er kann nicht über seine Probleme reden, ist aber beleidigt, dass ihn niemand versteht. Um die Situation zusätzlich zu verschärfen, hockt man die ganze Zeit. Das kann nicht gut gehen.

„Man will ja nie so sein wie andere, orientiert sich dann aber doch immer sehr stark an ihnen“, erklärt die 32-Jährige, die auch das Drehbuch schrieb, den Titel ihres Films. „Am Anfang führen Chris und Gitti einer sehr gleichberechtigte Beziehung. Später treffen sie auf ein anderes Paar und orientieren sich nach und nach an dessen klassischerem Rollenverständnis. Am Ende haben sie sich gemeinsam verirrt und spüren auch ihre eigene Falschheit.“ Mit trockenem Humor und erbarmungsloser Genauigkeit beobachtet Ade das Paar in der Krise: geheime Rituale, unerfüllte Wünsche, Machtkämpfe, Verletzungen und intime Albernheiten werden offengelegt. Bei letzteren spielt „Schnappi“, ein Gnom mit der Physiognomie von Walter-Moers-Figuren, den Chris aus einer Ingwerknolle und zwei Streichhölzern bastelt, eine Hauptrolle. „Schnappi war am schwierigsten zu besetzen,“ erzählt die Regisseurin, die auch den Produzentenjob übernommen hatte. „Ich bin in Berlin tagelang durch die Gemüseläden gepilgert. Die dachten schon ich spinne, weil ich immer kam wenn neuer Ingwer geliefert wurde und mir die ganzen Knollen angeguckt habe.“ Doch kein Schnappi ward gefunden und der Job auf die Besetzungs-Abteilung abgewälzt: „Ich habe zur Casterin, Nina Haun, gesagt: ,du musst Schnappi finden’,“ vergebens. Schließlich wurde Schnappi kurzerhand zur Requisite erklärt und das Problem der Ausstattung zugeschoben. Der Mann der Ausstatterin fand schließlich die passende Wurzel. Trotz aller Mühen: Das Ingwermännlein ging in Berlin leer aus. Den Darstellerpreis erhielt wie schon erwähnt die wenig gnomenhafte Österreicherin Minichmayr. Da hatte nicht nur Schnappi, sondern auch Demi Moore keine Chance. Maren Ade wundert das nicht, sie schnaubt nur: „Ja Gott, Demi Moore“.

Als Konsument fand ich „Alle Anderen“ mindestens eine Stunde zu lang (Laufzeit 124 Minuten), für alle anderen läuft er Fr., 14.8., im Open Air Kino am Schloss Gottesaue in Karlsruhe.

Samstag, 1. August 2009

Wer wissen will, was es eigentlich bedeutet KSC-Fan zu sein, sollte Göhringer lesen

Ich erinnere mich an eine Sendung auf dem unabhängigen Lokalsender Querfunk, in der jemand sagte, KSC-Fan zu sein bedeute, nichts zu erwarten und trotzdem noch entteuscht zu werden. Wohl kein Verein in Deutschland hat so eine Berg- und Talfahrt hinter sich wie der KSC - vom FC Kaiserslautern vielleicht einmal abgesehen -. Höhenflügen in Bundesliga und UEFA-Cup folgte der totale Absturz in die Regionalliga, beinahe die Pleite und schließlich die Wiederauferstehung mit Talenten aus der eigenen Jugend, für die der Club einst berühmt war.

In seinem Debüt »In guten wie in schlechten Tagen« erzählte der Autor Frank Göhringer von den wechselhaften Anfängen des Karlsruher Sport Club, dem kometenhaften Aufstieg bis ins UEFA-Cup-Halbfinale und vom Abstieg in die 2. Liga, wo man in der Zwischenzeit wieder gelandet ist. Auf die Verantwortlichen, Präsidium, Management und Trainer, hagelt es Kritik. Einige scheinen in ihrem Anspruchsdenken vergessen zu haben, wo der Club noch vor kurzem stand, andere mit der gegenwärtigen Situation allzu sorglos umzugehen. Beides gute Gründe Göhringers Buch »Herzenssache« von 2007 wieder einmal zur Hand zu nehmen. Es beginnt mit dem Start in die Regionalliga Süd, der schwersten Zeit des Clubs.

Statt Valencia oder Rom hießen die Ziele von Auswärtsfahrten nun Elversberg und Pfullendorf. Der Autor war immer dabei und zeichnet ein ebenso lebendiges wie ergreifendes Bild von Niedergang und Wiedergeburt, das Antiken Dramen in nichts nachsteht: Das Erlebte entbehrt nicht der Tragik und selten des Humors. Denn während sich die Besucher anderer Volksbelustigungen wie Kino, Theater oder Konzerten üblicherweise amüsieren, bezahlt der gemeine Fußballfan noch dafür sich aufzuregen. Das Spiel beflügelt zwar einerseits die Fähigkeit seiner Anhänger glücklich zu sein, genauso bestärkt es aber deren Hang sich unglücklich zu machen: Der natürliche Zustand des Fußballfans sei der, herber Enttäuschung, unabhängig vom Spielstand, schreibt Nick Hornby sinngemäß in seinem Bestseller Fever Pitch. So gesehen bekommt man beim KSC meistens etwas für sein Geld.

Natürlich sind Göhringers Bücher, gleich dem Spiel, das sie preisen, oberflächlich gesehen banal: Männer fahren hunderte von Kilometern um Bier zu trinken und anderen Männern dabei zuzuschauen wie sie auf einer Wiese einem Ball hinterherlaufen und versuchen diesen in eines von zwei Toren zu treten - meistens erfolglos. Doch darunter eröffnet sich eine Welt voller Gefühl, Liebe, Eifer und Taten, voller Begeisterung für eine maßlose Vergeudung von Zeit und Kräften, völlig sinnfrei und doch von so vielen geteilt. Wer in diese Welt eintauchen und wissen will was Fußball eigentlich bedeutet, sollte Göhringer lesen. Fußball lebt vom Heldentum, aber ein Held erlangt seine Bedeutung erst durch die Erinnerung seiner Getreuen; und die stehen auf den Rängen. Ein Mythos kann nur Wirklichkeit werden, wenn er geglaubt wird. Göhringer ist ein Glaubensapostel mit einem gewissen Hang zur Selbstkasteiung - oder sollte man angesichts der vergangenen Eskapaden seines geliebten Clubs vielleicht besser Märtyrer sagen -, doch genau darin besteht das Lesevergnügen. Göhringer ist kein Fußballphilosoph, wie der lange in Karlsruhe lehrende Gunter Gebauer (Poetik des Fußballs) und kein Hofberichterstatter wie Peter Putzing (Badens Blaues Wunder), Frank Göhringer ist Fan. Schlicht und ergreifend. Und so schreibt er auch. (mex)

Wohin bei der Hitze I.

Die Stadtmitte befindet sich im Zentrum von Karlsruhe. Was sich ließt wie eine Binsenweisheit oder ein neuer Slogan der berüchtigten fächerstädtischen Vermarktungsstrategen („viel vor, viel dahinter“), beschreibt lediglich die geographische Lage eines beliebten Tanzclubs, und der heißt: Die Stadtmitte.

„Der Name, rührt von der launigen Idee, dass die Beschilderung der Stadt den Besucher zumindest in die Nähe des Clubs führt“, erklärt Geschäftsführer Frank Sollmann. Hinter den Mauern der ehemaligen Oberpostdirektion am Ettlinger Tor spielt sich seit nunmehr vier Jahren weit mehr ab als gewöhnlicher Kneipenbetrieb. Der massive denkmalgeschützte Altbau aus den dreißiger Jahren mit dem markanten Turm beherbergt bunt ausgestattete Räumlichkeiten mit Bar, Café, Tanzfläche, Veranstaltungssaal und im Innenhof einen riesigen Biergarten.

Hat der Besucher das mächtige stachelbewehrte Stahltor - bis zur Postreform 1993 schützte es die Postbeamten des Regierungsbezirks Nordbaden – passiert, öffnet sich vor ihm ein weites begrüntes Atrium. Trotz der Hitze weht ein laues Lüftchen, zwischen Orleander-Büschen, beschattet von Palmen und quadratischen Sonnenschirmen, entspannen junge Damen beim Latte vom anstrengenden Shopping im nahe gelegenen Einkaufszentrum. Einige Anzugträger genehmigen sich ein Feierabendbier. Vom Lärm der Strasse ist kaum etwas zu hören, mal schauen ob das auch während der Bauarbeiten zur U-Strab so bleibt.

Doch ist das nur die Ruhe vor dem Sturm: An warmen Abenden öffnet sich der große zeltartige Schirm in der Mitte des Innenhofs. Auf der von ihm beschatteten Tanzfläche zucken bald die ersten „After-Work-Party-People“. Drinnen lassen wechselnde DJs die Teller kreisen; gespielt wird vornehmlich elektronische Tanzmusik. Über dem bespiegelten Flur blinkt ein grüner Laser und leitet den Gast vor die Tür des orangenen Festsaals. Hier spielen regelmäßig Bands von Avantgarde-Pop bis Extrem-Metal, auch Lesungen und Improtheater gehören zum Programm.

Im von Musikclub Substage, Badischem Staatstheater und Einkaufszentrum gebildeten Dreieck gelegen, könnte man die Trias Sub-, Hochkultur und Konsum durchaus als programmatische Eckpunkte der Stadtmitte-Macher bezeichnen. Ursprünglich wollten Christian Pulkert und der inzwischen verstorbene Eduardo Malagon in Freiburg oder woanders eine „Zweigstelle“ ihres Karlsruher Clubs Carambolage aufmachen. Eine geeignete Örtlichkeit fand sich aber trotz intensiver Suche nicht. An die jetzige Location kamen die beiden gelernten Architekten durch Zufall. Trotz oder gerade wegen ihres Bohème-Charakters hat die Stadtmitte lediglich ein Problem: Wo Subkultur und Mainstream aufeinander treffen, ist das Party-Publikum nicht weit: An manchen Tagen ist der Anteil gebräunter Stutzer mit Haarölaffinität überproportional hoch. Noch kann dies unter Vielfalt verbucht werden.(mex)