Mittwoch, 23. Dezember 2009

Send in the Clowns: Führungschaos beim KSC

So sehr man sich einen Erfolgreichen Neuanfang beim KSC gewünscht haben, so sehr man die Kampagne des Fallbeils aus der Amalien Straße und der übrigen Lokalpresse gegen das aktuelle Präsidium verdammen und so wenig man den alten Seilschaften im Club diesen Triumph gönnen mag, man kommt um die Feststellung nicht länger umhin: Diese Vereinsführung hat schon jetzt abgewirtschaftet! Paul Metzger geriert sich als machtbesessener Kasper, der nicht nur kein Fettnäpfchen auslässt, sondern an jeden Fuß einen ganzen Vaselineeimer geschnallt zu haben scheint. Nicht nur hat es dieser Präsident geschafft - beispielsweise durch seine schon jetzt berüchtigten Teilnahmen an den Pressekonferenzen -, einen Traditionsverein innerhalb kürzester Zeit bundesweit lächerlich zu machen, sondern auch einem Trainer, der es in mühseliger Kleinarbeit geschafft hat, aus den Trümmern einer Bundesligamannschaft ein einigermaßen konkurrenzfähiges Team zu formen, alle möglichen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Die Groteske um eine Abmahnung Schupps, wegen dessen vorzeitiger Verkündigung von Manager Rolf Dohmens ausscheiden, ist nur ein weiteres Mosaiksteinchen in einem Bild, dass sich eigentlich nur so interpretieren lässt: Der Trainer soll solange drangsaliert werden, bis er von selbst den Bettel hinschmeißt, da sich eine Entlassung derzeit weder finanziell noch sportlich rechtfertigen lässt (Einen interessanten Kommentar zum Thema findet ihr hier). Nur, so blöd seine Abfindung in den Wind zu schießen wird Schupp wohl kaum sein. Man täte also gut daran, dem Mann endlich die Rückendeckung und Unterstützung zu geben, die er braucht und verdient.
Das die Zeit von Dohmen andererseits vorbei und eine weitere Professionalisierung der teilweise verkrusteten Strukturen beim KSC überfällig war, ist weitgehend Konsens. Doch ist seit Beginn der Ära Metzger statt einer weiteren Qualifizierung, vielmehr eine galoppierende Hyperprovinzialisierung des Vereins zu beobachten. Wie lange wollen die Mitglieder diesem Treiben noch zusehen? Bis zum nächsten Abstieg? Es wird langsam Zeit, die Tapeziertische aus dem Keller zu holen!

Montag, 7. Dezember 2009

KSC-Heldenabend und 20 Jahre Fanprojekt

Wirklich eine gelungene Idee die Feierlichkeiten zum 20 Jährigen Jubiläum des Karlsruher Fanprojekts mit einem Gesprächsabend der KSC-Torjägerlegenden Edgar Schmitt und Emanuel Günther zu beginnen. Schade aber, dass die nachwachsenden Fangenerationen offenbar über wenig Geschichtsbewusstsein verfügen und sich nur knapp dreißig Interessierte in den blau-weiß getünchten Räumlichkeiten in der Mainestraße verloren. Diese konnten allerdings bis über beide Ohren in Karlsruher Fußballgeschichte eintauchen: Als Gastgeber dieses ersten „Heldenabends“ trat Rheinpfalz-Kolumnist und „Auf, Ihr Helden“-Magazin Herausgeber Matthias Dreisigacker in Erscheinung und „traktierte“ die beiden erfolgreichsten Stürmer der KSC-Historie (Schmitt, beim KSC von 1993-96, 72 Spiele, 31 Tore, Günther, im Verein 1977/78 und 1979-86, 310/134) mit allerlei historischen und tagesaktuellen Fragen. So war zu erfahren, dass beide Spieler von ihrem Erfolgstrainer Winnie Schäfer eher wenig hielten (Schmitt: „Das beste an ihm war, dass er uns in Ruhe gelassen hat.“) und die aktuelle Lage beim Sportclub mit kritischem Abstand begleiten (Günther: „Die sind einfach nicht zielstrebig genug.“).
Bei manchen Statements dürfte ein anwesender „Held der Zukunft“, wie er von Dreisigacker vorgestellt wurde, KSC-Defensivmann Godfried Aduobe, interessiert die Ohren gespitzt haben, gilt Edgar Schmitt doch als Kandidat für den freiwerdenden Managerposten Rolf Dohmens. „Es kann nicht sein, dass hier jeder ein Forum erhält seine Meinung öffentlich zu machen und sich vom Jugendtrainer aufwärts jeder in der Presse äußert. Der Sturm ist zu klein besetzt und die Verteidigertypen sind sich zu ähnlich,“ waren Hauptkritikpunkte des ehemaligen erfolgsstürmers. Aktiv werden möchte Schmitt aber nur, wenn er eigenverantwortlich arbeiten kann: „Ich möchte nicht der Spielball von irgendjemand sein, daher kam für mich ein Engagement unter dem ehemaligen Präsidium nicht in Frage.“ Ob Schmitt mit dieser Einstellung beim neuen Präsidenten Metzger, der bisher nicht gerade dadurch auffiel, sich aus den Kompetenzen seiner leitenden Angestellten herauszuhalten, landen kann, scheint allerdings mehr als fraglich.
Doch natürlich wurde bei einer solchen Gelegenheit nicht nur kontrovers diskutiert, sondern gab es auch viel Amüsantes zu hören. So musste „Euro Eddie“ die Frage, ob es aktuell noch Autogrammwünsche gebe mit einem knappen „nix mehr“ beantworten, während der wesentlich länger außer Dienst stehende „Emma“ süffisant darauf verweisen konnte, dass seine Unterschrift noch regelmäßig gewünscht werde. „Also, schickt mir mal was Jungs“, rief Schmitt und vielleicht sind die Wege für die Fans ja doch bald wieder kürzer.
Insgesamt ein sehr informativer wie unterhaltsamer Abend. Bleibt zu wünschen, dass sich die Kulisse zukünftig etwas mehr an Wildparkverhältnisse annähert. Gleiches gilt für die weiteren Jubiläumsveranstaltungen des Fanprojekts: Offene Tür mit Videoabend mit den Filmen „Schlachtenbummler“ und „Ultras – die neue Generation“, Di, 8.12., 17Uhr und das „Moser rockt“-Festival mit den Bands Defectionarea (Hardcore), Beggars Street (Rock) und Frogfarm (Ska). Infos: www.fanprojekt-karlsruhe.de

Dienstag, 24. November 2009

"Im Wildpark", ein neuer Bildband der Heldenmagazin-Macher

Wenn alle, die beim KSC und in Karlsruhe etwas zu sagen haben, diesen Club derart selbstlos liebten wie Matthias Dreisigacker – statt sich der kollektiven Pflege von Profilneurosen zu widmen -, wäre der Verein sicher nicht in einem derart bejammernswerten Zustand! Seit Jahren macht sich der Herausgeber des Magazins „Auf, Ihr Helden!“ durch seine detail- wie kenntnisreichen Fussballzeitgeschichten rund um den KSC und dessen teils glorreiche, teils finstere Vergangenheit verdient: Als Chronist blau-weißer Tradition und Hüter blau-weißen Erbes, das derzeit offenbar nicht von allen maßgeblichen Akteuren in und um den Sportclub gleich hoch geschätzt wird.
Jetzt hat sich der Verlag Block Eins, in dem auch das Heldenmagazin erscheint, mit einem opulenten Bildband noch eines anderen höchst achtbaren Anliegens angenommen: Der Würdigung des altehrwürdigen Wildparkstadions. Auf 160 Seiten präsentieren die Autoren Christian Pfefferle, Jens Fischer und Matthias Dreisigacker 155 Abbildungen, die, gegliedert in Passagen wie „Auf dem Weg“, „An der Seitenlinie“ oder „Wenn es vorbei ist“, alle Facetten eines Bundesligaspieltages in Karlsruhe widerspiegeln. „Im Wildpark – bleibende Eindrücke aus dem Karlsruher Fußballstadion“, bietet denn auch keine Hochglanzanhimmelei aktueller oder ehemaliger Spieler – auch wenn einige von ihnen, darunter Manfred Krafft, Michael Harforth und Rudi Fischer, natürlich zu Wort kommen -, oder eine kritische, allerdings stets liebevolle Betrachtung schmutziger Details wie morsche Kassenhäuschen, die kuriosen Toiletten und rostende Zäune, sondern zeigt das Stadion nicht nur als Spielstätte, sondern - und das ist wohl weit bedeutsamer – als Begegnungsort von Menschen grundverschiedenster Couleur, die trotz aller sozialen, kulturellen, weltanschaulichen und Altersunterschiede eines vereint: Die liebe zu einem Fußballverein, die Liebe zum KSC.

Dienstag, 17. November 2009

Gerichtstermine zwischen KSC und Kölmel verlegt

In der KSC-Führung hat sich offenbar die Ansicht durchgesetzt, der vom neuen Präsident Paul Metzger ausgehandelte und auf der Mitgliederversammlung Anfang November verkündete Deal mit dem Rechtehändler Michael Kölmel (wir berichteten), sei noch verbesserungswürdig. Um sich wie angestrebt von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Gründer des Filmverleihs Kinowelt zu befreien – Kölmel hatte sich im Abstiegsjahr 2000 für 15 Millionen Mark 15 Prozent der Fernseheinnahmen des Bundesligisten gesichert - hätte der Verein in den nächsten zehn Jahren ungefähr zwanzig Millionen Euro zahlen müssen. Zwischen sieben und zehn Millionen Euro hätte Kölmel sofort erhalten, ab 2019 hätte sich der Sportclub für einen Fixbetrag von 13.6 Millionen Euro aus dem Vertrag freikaufen können. Im Gegenzug wollte Kölmel auf drei Millionen Euro aus aufgelaufenen Rückständen verzichten und sich zukünftig mit zehn Prozent der Fernsehgelder zufrieden geben. Für eine Einigung hatte der Unternehmer den Vereinsgremien ein Ultimatum bis letzten Freitag gestellt.
Besonders aus dem Verwaltungsrat drangen kritische Stimmen, die vermeintlich vorteilhafte Lösung könne den Verein womöglich schlechter Stellen als notwendig. Nun sehen sich Kritiker, die vermuteten, Kölmels Rechtsposition sei vielleicht doch nicht so stark, wie von ihm dargestellt und vom neuen Präsidium um den Fußballneuling Paul Metzger - vor kurzem verpflichtete er den türkischen Offensivakteur Serhat Akin, ohne Rücksprache mit Trainer Markus Schupp - angenommen, bestätigt: Die für kommenden Freitag und Freitag, den 4.12., angesetzten Termine vor dem Landgericht wurden nun auf Antrag des KSC in den Februar verlegt. Ein für Donnerstag, den 26.11., vorgesehener Berufungstermin vor dem Oberlandesgericht wird nun Mitte Januar durchgeführt. Wie der Verein bekannt gab, sei die Verlegung erfolgt „um ohne Zeitdruck die vielschichtige Problemstellung zu sondieren und das nach wie vor verfolgte Ziel, einen möglichst tragfähigen Vergleich mit MK Medien, zu erreichen.“ Dazu KSC-Präsident Paul Metzger: „Ich hoffe, dass die Gespräche mit Herrn Kölmel weitergeführt werden können. Wir haben uns zuletzt abseits der Gerichtssäle ein großes Stück aufeinander zu bewegt. Es wäre aus unserer Sicht mehr als begrüßenswert, wenn wir dies erfolgreich zu Ende führen könnten.“

Samstag, 7. November 2009

Und er bewegt sich doch: Überraschungen auf Fortsetzung der KSC-Mitgliederversammlung

Der Pulverdampf beim KSC scheint sich zu legen. Die Fortsetzung der KSC-Mitgliederversammlung verlief im Gegensatz zur von Turbulenzen geprägten Zusammenkunft vom 30. September reibungslos. Dennoch gab es einige Überraschungen: Zunächst gab Präsident Paul Metzger eine Zusammenschau seiner ersten 35 Tage im Amt und gewährte Einblick in sein Seelenleben. Metzger zeigte sich betroffen von der teils harschen Presse- und Mitgliederkritik an seiner Amtsführung. Einige Berichte seien „unter der Gürtellinie“ gewesen und haben seinem Ruf und den des Vereins geschadet, sagte der noch amtierende Bürgermeister von Bretten - wohl im Hinblick auf Vorwürfe, er habe am Abend seiner Wahl „mit schwerer Zunge gesprochen“ oder gebe den Sportclub mit seiner volkstümlichen Art „der Lächerlichkeit“ preis. Allerdings gab sich Metzger auch selbstkritisch: „Ich bekenne mich dazu, dass ich ein Lehrling bin als Präsident eines Profifußballclubs, aber ich kann und werde lernen“.
Hinsichtlich der Finanzsituation des KSC stimmte Metzger die Mitglieder auf ein drohendes Defizit von zwei Millionen Euro in der laufenden Saison ein. Dennoch soll die Mannschaft nach Möglichkeit verstärkt werden. Die Spielerdecke sei zu Dünn, „wir sind zum Handeln verpflichtet“, erklärte Metzger. Angestrebt wird die baldige Verpflichtung von Serhat Akin, der Vereinslose Angreifer trainiert derzeit mit der zweiten Mannschaft. Mittel für weitere Spielerkäufe sollen durch eine baldige Einigung mit dem Rechtehändler Michael Kölmel mobilisiert werden. Im Abstiegsjahr 2000 schloss der mit dem KSC einen Vermarktungsvertrag, der diesem 15 Millionen D-Mark zuführte und so die drohende Pleite abwendete. Mit dem abgetretenen Präsidium Raase kam es zum Streit, über den mit hohen Belastungen - 15 Prozent der Fernseheinnahmen - verbundenen und wegen der unbegrenzten Laufzeit von vielen im Verein als ungerecht empfundenen Deal. Weil der zu Zweitligazeiten klamme Verein erst nicht zahlen konnte – und Kölmel die fälligen Beträge stundete – und nach dem Aufstieg nicht mehr zahlen wollte, sind Rückstände in zweistelliger Millionenhöhe aufgelaufen. Geld, dass der Club zwar auf der hohen Kante hat, aber wegen eines Rechtsstreits mit Kölmel und nach Auflage der DFL nicht ausgeben kann. Der nun ausgehandelte Kompromiss lautet wie folgt: Kölmel erhält zwischen sieben und zehn Millionen Euro sofort, übrige drei Millionen Euro aus den Rückstellungen kann der KSC behalten. Weiter reduziert sich die Beteiligung Kölmels an den Fernsehgeldern von 15 auf 10 Prozent, darüber hinaus erhält der KSC die Option, sich ab 2019 für einen Fixbetrag von 13.6 Millionen Euro aus dem Vertrag freizukaufen. Die ab heute bis zum Stichtag abgeführten Fernsehgelder werden auf diese Summe verrechnet, allerdings läuft die Beteiligung auch nach 2019 weiter, bis der Verein die Option wahrnimmt. In der kommenden Woche wird sich der Verwaltungsrat, der diesem Lösungsvorschlag zustimmen muss, mit dem Thema befassen. Kölmel hat für kommenden Freitag eine „Deadline“ zur Einigung gesetzt, dann würde die für den 20. November angesetzte Gerichtsverhandlung abgesagt. Präsident Metzger warb um die Zustimmung des Gremiums: „Kommt es zur Klage, gibt es wieder schlechte Schlagzeilen, Altvordere werden als Zeugen vorgeladen und es wird über unsere Verlässlichkeit diskutiert werden.“
Angesichts der Millionenbeträge, die ihnen da nur so um die Ohren gehauen wurden, wirkten manche KSC-Mitglieder ähnlich betreten wie Torhüter Jeff Kornetzky nach der 0:4 Heimniederlage gegen St. Pauli. Doch eines sollte klar sein: Bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtehändler Michael Kölmel geht es für den Verein im Grunde nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um die Frage, ob der nun auf dem Tisch liegende Kompromiss vorteilhaft oder eher nachteilig ist. Am Anfang steht die Erkenntnis: Wer aus einem unbefristeten Vertrag heraus will, wird dem Vertragspartner eine entsprechende Kompensation leisten müssen. Bleibt zu klären, ob der nun ausgehandelte Preis, denn um nichts anderes handelt es sich hier, günstig oder überhöht ist. Zunächst einmal wäre mit der Zahlung an Kölmel das Problem der Rückstände gelöst. Mit dem Kompromiss wären das Risiko - sofern der Verein den anstehenden Prozess verlöre -, die gesamten Rückstellungen ausbezahlen zu müssen, beendet und zusätzlich drei Millionen mobilisiert. Mit dem zweiten Kompromiss reduzierte sich Kölmels Ertragsanteil um fünf Prozent, auch hier besteht Anlass zur Freude. Bleibt Kompromiss Nummer drei: Hier ist der entscheidende Punkt die zukünftige Ertragslage. Je höher die langfristigen Einnahmen des Vereins, desto preiswerter ist im Prinzip die Rückabwicklung. Was zählt, ist der sportliche Erfolg. Der Vorteil bestünde darin, dass jetzt ein fester Betrag vereinbart wird und nicht 2019 eine Neubewertung stattfindet. Steigt der Verein auf, könnte bis zum Stichtag alles bezahlt sein, spielt er danach International, hätte er Millionen gespart.
Auf der anderen Seite wartet Kölmel seit Jahren auf sein Geld, dass er nun bekommt. Sind die nächsten zehn Jahre Erfolgreich, macht er vielleicht sogar noch ein gutes Geschäft, wenn nicht, hat er zumindest nichts verloren. Sieht ganz nach einer Win-win-Situation aus; und wie oft gibt es das schon im Fußball. Vor Gericht gilt in jedem Fall: nur einer kann gewinnen.
In Anbetracht dieser Entwicklungen geriet der eigentliche Haupttagesordnungspunkt, Neuwahl der beiden Vizepräsidenten beinahe in den Hintergrund. Als Nachfolger der bisherigen Vizes, Rainer Schütterle und Michael Steidl, die beide nicht mehr antraten, wählten die knapp fünfhundert Mitglieder Ex-Profi Arno Glesius und Verwaltungsrat Rolf Hauer. Der ehemalige KSC-Sicherheitsbeauftragte Ulrich Jäck konnte sich nicht durchsetzen.

Dienstag, 3. November 2009

Erkenntnis der Woche: In der Günther-Klotz-Anlage kann man nicht nur DAS FESTe feiern sondern auch Sport machen

Von allen verrückten Extremsportarten sind Cyclocrossrennen wohl mit am verrücktesten! Was treibt normal denkende Menschen dazu, mit einem nur unwesentlich modifizierten Straßenrennrad Querfeldeinrennen zu fahren - mitten im Winter auf einem unbefestigten Matschweg? Als Erklärung verfängt hier noch nicht einmal George Mallorys berühmt gewordene Antwort auf die Frage, warum er den Everest besteigen wolle: „Weil er da ist.“ Denn für die 1,5-3 Kilometerlangen Wettbewerbskurse ist das Fehlen befahrbaren Untergrunds charakteristisch, so dass die Fahrer ihre Vehikel über weite Strecken tragen müssen: verkehrte Welt!
Allerdings ist Cyclocross keineswegs eine neumodische Freizeitbeschäftigung eines versprengten Häufleins Irrer. Ihren Ursprung hat diese traditionsreiche Sportart in Frankreich als Konditionstraining der Rennfahrer in der kalten Jahreszeit - noch heute fahren viele Mountainbiker in der Wintersaison bei den Crossern und umgekehrt - und wurde nach dem zweiten Weltkrieg auch in Deutschland bekannt. Während das Querfeldeinfahren beispielsweise in den USA aktuell immer populärer wird, ist es hierzulande fast schon zur Randsportart geworden.
Das soll sich nun wieder ändern, ganz besonders in Karlsruhe: Am kommenden Samstag, 8. November, macht der SKS-Deutschland Cup Cross, die höchste Deutsche Rennserie im Radcross, erstmals in der Günther-Klotz-Anlage Station. Und nach dem Willen der Veranstalter soll es nicht auch nicht das letzte Mal sein: „In den letzten Jahren erlebt der Crosssport erfreulicherweise ein Revival“, sagt Florian Hock von der Radsportgemeinschaft Karlsruhe. „Der Trend geht heute allerdings zu schnelleren Rennen. Die Schlammschlachten mit schmutzverkrusteten Fahrern gehören heute aus Umweltschutzgründen und der Sorge der Gartenbauämter um den Rasen in ihren Parks weitgehend der Vergangenheit an.“ Auf dem rund zwei Kilometer langen Rundkurs ist in Karlsruhe neben einer asphaltierten 300 Meter langen Start- und Zielgeraden der „Mount Klotz“ Dreh- und Angelpunkt des Rennens. Wie beim berühmten Open-Air-Festival „Das Fest“ bietet er den Zuschauern fast uneingeschränkte Sicht aufs Geschehen und fordert den Teilnehmern darüber hinaus ein Höchstmaß fahrerischen Könnens ab. „Ob Auf-, Ab- oder Schrägfahrt, wer körperlich und fahrtechnisch nicht ganz auf der Höhe ist, wird die Konkurrenz schwer kontrollieren können“, versprechen die Veranstalter. Der wohl bekannteste Deutsche Crossfahrer, Mike Kluge, ließ sich sogar zu Vergleichen zum 1985er WM-Kurs im Münchner Olympiapark hinreißen: Die Rennen würden technisch anspruchsvoll, sehr schnell und für die Zuschauer vor allem sehenswert, meinte der dreifache Weltmeister nach einer Streckenbesichtigung.
Um Punkte geht es am Samstag in folgenden Klassen: Elite, U23, Junioren, Jugend, Schüler, Masters, Frauen, Juniorinnen, weibliche Jugend, Schülerinnen und MastersÜ50. Der frühere Deutsche-Cross-Meister und Radsport-Experte Kartsten Migels freut sich dabei besonders auf die Nachwuchsrennen: «Durch die Fahrt im Gelände lernen die Jugendlichen mit dem Fahrrad umzugehen, um später auch im immer stärker werdenden Straßenverkehr ihr Rad zu beherrschen». Ins Rennen gehen aber auch bekannte Profis wie der Klassiker-Spezialist Marcel Sieberg oder André Greipel, mit 21 Siegen im Internationalen Kalender – vier davon bei der Vuelta – erfolgreichster Deutscher Radrennfahrer des Jahres. Das Rennspektakel in der Günther-Klotz-Anlage beginnt um 10.30Uhr.

Montag, 2. November 2009

Public Tatort Viewing

Sonntagabende sind ja meist eher unglamourös bis langweilig. In der Bundesliga ruhen die Bälle und auch der eigene Körper hätte nach den überstandenen Vergnügungsexzessen eine Pause verdient. Darüber hinaus ist die Spaßkasse nach zwei Tagen Feierei ohnehin ziemlich leer. Doch wie ein Stubenhocker - oder neudeutsch: Couchpotato – auf dem Sofa lümmelnd versauern? Nein! Die Lösung: Public-Tatort-Viewing.
In der Szenekneipe kap in der Karlsruher Kapellenstrasse hat diese Einrichtung bereits Tradition. Will man ein gutes Plätzchen ergattern, also eines bei dem keine Afrofrisuren oder modischen Zipfelmützen den Blick auf die Großbildleinwand behindern, empfiehlt es sich, dieses spätestens nach der ersten Weltspielgelhalbzeit einzunehmen. Verkürzen lässt sich die Wartezeit hier problemlos mit einer spontanen Weinprobe: Neben Pfälzer Rebensaft vom hauseigenen Winzer, stehen über fünfzig Weine aus aller Welt zur Auswahl. Dazu gibt es kleine Gerichte und eine abwechslungsreiche Tageskarte - Puristen können auch Chips oder Erdnüsse ordern.
So weit, so gut, möchte man meinen, doch hat der Krimigenuss in großer Runde auch seine Tücken, insbesondere für Fußballsozialisierte. Zwischenrufe wie „schieß doch“, „geh rann, Mann“ oder auch nur „ich weiß wer´s war“, sind verpönt – andererseits läuft ständig jemand durchs Bild. Das Ruhediktat macht es selbst unmöglich, mit der reizenden Nachbarin vom Nebentisch, die durch bezauberndes Lächeln und der kurz vor dem Mord noch schnell geflüsterten Ansage, sie komme immer hierher, wenn ihr sonntags allein zu hause die Decke auf den Kopf falle, auf sich aufmerksam gemacht hat, in Verbale Interaktion zu treten. Erwischt man dann noch einen Rohrkrepierer wie "Tempelräuber" mit den Münsteranern Thiel und Boerne ist das besonders bitter. Könnte man die Tischnachbarin doch nun durch schlagfertige wie scharfzüngige Kommentare auf die albernen Dialoge nachhaltig beeindrucken. Ist man dann noch gezwungen den Ort des Geschehens noch vor der endgültigen Aufklärung zu verlassen, weil die Leser am nächsten Tag eine Konzertbesprechung erwarten, bleibt nur eines: Selber zum Serientäter werden und auf eine zweite Chance hoffen. Vielleicht fällt ihr bald mal wieder die Decke auf den Kopf und manchmal ist der Tatort ja auch so unterhaltsam wie diesen Sonntag „Schweinegeld“ mit den Berliner Ermittlern Ritter und Stark.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Rettet "Das Fest": Der Mount-Klotz soll leuchten!

Sie wollen verhindern, dass beim Karlsruher Traditionsopenair „Das Fest“ nach fünfundzwanzig Jahren endgültig die Lichter ausgehen (Wir berichteten). Deswegen will die Initiative „Rettet das Fest“ am kommenden Freitag, 30. Oktober, 22Uhr, mit Hilfe tausender Sympathisanten den „Mount-Klotz“ in der Günther-Klotz-Anlage in einen funkelnden Kegel verwandeln. Die Organisatoren hoffen auf möglichst viele Fest-Freunde, die mit mitgebrachten Handys, Windlichtern, Feuerzeugen oder Mini-Taschenlampen „Ein Licht für Das Fest“ leuchten lassen und so ihrem Wusch nach einer Fortsetzung des Spektakels Nachdruck verleihen.
Natürlich kann keine Aktion zur Rettung eines Musikfestivals ohne ein entsprechendes Programm auskommen: Kulturell unterfüttert wird das Ereignis von der Band Double Tonic (Celtic Jazz), dem renommierten Jazzchor Ettlingen sowie Akteuren der Karlsruher Jonglierszene. Der Feuerwerker Rainer Ellenberger will außerdem einige feurige Akzente setzen

Samstag, 24. Oktober 2009

Welcome To Hooters, ein Erfahrungsbericht

“Das einzige was bei mir steif wurde, war mein Hals,” lautete kurz und Bündig das Resümee des Freundes nach gemeinsamem Besuch der neu eröffneten Karlsruher Hooters-Filiale. Zur Erklärung: Hooters ist eine amerikanische Systemgastronomiekette, bei dem es zum schnellen Burger auch noch schnelle Mädchen dazu gibt. „Welcome to Hoooootaaaaahs“, - Hooters heißt übrigens nichts anders als Hupen - rufen die vollbusigen Animateusen der Cheerleader-Liga sobald der Gast den Laden betritt und sorgen mit allerlei Tatü-Tata wie Tanzeinlagen und sexy Arbeitskleidung bestehend aus engen Shorts und tief ausgeschnittenem Tank-Top für Appetit beim männlichen Publikum. Das ganze verläuft in betont lockerer Party-Atmosphäre und im Grunde bar jeder Anrüchigkeit. So kennt man es aus den USA. Der Ami, wie Opa zu sagen Pflegte, wandelt ja - moralisch eher solide – stets auf dem schmalen Grad zur Prüderie, ist aber einer guten Show immer zugeneigt.
Dass ein solches Konzept in Karlsruhe aufgehen könnte, war schon im Vorfeld stark zu bezweifeln. Um in Fußballmanagerdiktion zu wechseln: aus Mangel an richtigem Menschenmaterial. Die Kaiserstrasse ist bekanntermaßen nicht der Sunset-Boulevard und entsprechend ernüchternd das Grazienaufgebot. Doch dazu später. Zunächst einmal würde man sich sogar mit einem Mann bescheiden, nähme nur endlich jemand die Bestellung entgegen. Endlich taucht doch noch eine Angehörige des Servicepersonals auf: Svetlana (Name geändert) ist heute für uns zuständig. Deshalb schreibt sie ihren Namen auf einen Zettel und legt ihn auf den Tisch. Sicher ist schließlich sicher. Gehört das zum hootersüblichen Procedere, oder schließt das Mädchen von seinen geistigen Fähigkeiten auf die anderer? Der weitere Verlauf lässt letzteres befürchten.
Wäre die Luft je von Erotik erfüllt gewesen, spätestens als sich Svetlana an unseren Tisch setzt um Konversation zu betreiben – zwei alte Musikerkollegen hat so eine Aktion einmal 400DM gekostet, aber das war wohlgemerkt auf der Reeperbahn und die Dame jeden Pfennig wert, heute waren es wenigstens nur 8.50€ für ein lätschiges Sandwich – machte Kupido eine krachende Bauchlandung,. Wann ich mir denn das Bein gebrochen habe, fragt Svetlana. Nun liefe ich als überzeugter Stiefelträger schuhwerkbedingt vielleicht etwas unrund, aber ihre Interpretation ginge doch etwas zu weit, sage ich. Wozu dann die Krücke notwendig sei, hält die Kellnerin leicht gekränkt entgegen. Des Rätsels Lösung: es handelte sich nicht um eine Krücke sondern um einen Mikroständer – man könnte dieses Gerät vielleicht im weitesten Sinne als Gehhilfe des Vokalisten bezeichnen, klassisch ausgebildete Sänger stimmten hier sicherlich zu, aber so meandernd wird Svetlana vermutlich nicht gedacht haben. Sicher nicht. Erst nach einer anhaltenden interrogativen Tour de Force über Tattoos, Vegetarismus und Ex-Partner, gelingt es die hartnäckige Gesellschafterin vor der völligen geistigen Insolvenz zu bewahren. Wir hätten noch wichtige geschäftliche Dinge zu besprechen, sage ich ihr. Mein Freund, ein Rocksänger übrigens, dem ich seine stimmliche Gehhilfe zum Tragen abgenommen hatte, zeigte sich von den Vorgängen sichtlich erschüttert: „Darüber lachen wir in 20 Jahren, aber erst in 20 Jahren,“ war sein Fazit. Ach ja, sein Konzert am nächsten Abend konnte er nur unter ziemlichen Schmerzen absolvieren. Vom Sitzen im zugigen Eingangsbereich war sein Hals ganz steif. Ohne Krücke hätte er wohl kaum durchgehalten. (mex)

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Gepflegte Punkrock Bar, die "Alte Hackerei" in Karlsruhe

Was ist das? „Wheim erzeilst Due nach miw Daine Twäume“, greint der alte Howi Carpendale lauthals aus den Boxen. Dabei: „Gepflegte Punkrock-Bar“, ist ganz eindeutig im Infoblatt der „Alten Hackerei“ auf dem ehemaligen Schlachthofgelände nahe dem Karlsruher Messplatz zu lesen. Gepflegt und Punkrock? Das geht doch gar nicht! Doch, „das ist ernst gemeint,“ sagt Betreiber Plüschi, „keine Ironie. Wir haben Single Malt Whisky, gute Obstbrände, guten Rotwein und guten Pfälzer Riesling direkt vom Erzeuger“. Ungepflegte Getränke wie Alcopops kommen ihm nicht ins Glas. Auch sonst passt alles: Auf dem Türschild prangt ein mächtiges Hackebeil, umgeben von Spruchbändern: „Alte Hackerei, Karlsruhe“ ist darauf zu lesen. An der Bar steht in riesigen Lettern „For Those About To Rock“ geschrieben, nebst Kanonen-Emblem vom gleichnamigen AC/DC-Album. Vor und hinterm Tresen stehen tätowierte Typen und Mädels mit lustigen Frisuren, die Figuren am Kicker tragen St.Pauli-Trikots und über der Klotür hängt ein mächtiges Rindsgehörn. Bin ich zur falschen Zeit am richtigen Ort?
„Zum ersten, zum zweiten, zum dritten, nicht verkauft!“, tönt es auf einmal von der Bühne im hinteren Teil des Gastraumes. „Smash!“, saust der Hammer des mit riesigen Kotletten ausgestatteten Auktionators hernieder, „swoosh!“, reist der DJ den Tonarm von der Single und bringt Howi zum schweigen. Als nächstes läuft „Mistreated“ von Ronnie James Dio, schon besser. Die Maxi geht für sieben Euro weg. Aha, „Top-Oder-Flop“-Abend nennt sich das Spielchen. Die Gäste können hier missliebiges oder auch nur ausrangiertes Vinyl mitbringen und ver- oder ersteigern lassen. Platten, die keinen Abnehmer finden, werden von Auctioneer Tex Dixigas und seinen Schergen, Bingo Bongo - trägt eine massive Stahlarbeiter Schutzmaske – und Orgel-Krüger - gekennzeichnet durch eine mächtige Discokugel als Helm, Sicherheit geht schließlich vor -, kurzerhand „exekutiert“. Heute konventionell mit Beil, Machete und Hammer, aber auch Flammenwerfer und Sprengladungen sollen schon zum Einsatz gekommen sein.
„Top-Oder-Flop“ ist nur eines von verschiedenen fahrplanmäßigen Ereignissen in der Alten Hackerei. Zum Beispiel gibt es einen regelmäßigen Musikquiz mit dem Pfälzer Original Stefan Gaffory, auch bekannt als King Bronkowitz, oder die Live-Synchronisation-Shows von Ze Synchronizers, die Spontan alte Bonanza oder Star-Trek Folgen vertonen. Sonst hacken hier, wo der Fleischer einst die Sau zerhackte, meist verschwitzte Menschen in Gitarrenseiten. Ach ja, sind keine Veranstaltungen, kann man in der Alten Hackerei auch einfach ein Bier trinken; ganz gepflegt.

Freitag, 2. Oktober 2009

Kölmel stellt rasche Einigung mit dem KSC in Aussicht

Wegen der tumultartigen Szenen fühlt man sich auf der KSC-Mitgliederversammlung am Mittwoch zeitweise in die afghanische Stammesversammlung Loya Dschirga versetzt. In diesem Chaos wirkt Michael Kölmel beinahe wie ein Alien. Der Unternehmer wirkt ruhig, spricht leise, beinahe Druckreif. Im Abstiegsjahr 2000 schloss er mit dem KSC einen Vermarktungsvertrag, der diesem15 Millionen D-Mark zuführte und die drohende Pleite verhinderte. Mit dem am Mittwoch abgetretenen Präsidium Raase kam es zum Streit, über den mit hohen Belastungen – 15 Prozent der Fernseheinnahmen - verbundenen und wegen der unbegrenzten Laufzeit von vielen als ungerecht empfundenen Deal.
Mit dem neu gewählten Präsidenten Paul Metzger hofft Kölmel eine schnelle Einigung erzielen und den anhängigen Rechtsstreit einvernehmlich beenden zu können. „In den nächsten 14 Tagen kann es eine Einigung geben“, sagt Kölmel. Es habe bereits erste Gespräche gegeben und weitere werden folgen, erklärt Metzger. Man könne über alles Reden, zunächst einmal müsse aber das Vertrauensverhältnis zwischen Verein und Investor wieder hergestellt werden, fordert Kölmel. Ein Kompromiss werde den KSC in jedem Fall besser stellen, so das Versprechen. Dabei deutet er an, dass dies sowohl über eine Senkung der prozentualen Beteiligung an den Fernsehgeldern, als auch durch die Vereinbarung einer endlichen Vertragslaufzeit geschehen könne. „Es wird wohl einen Mischmasch aus beidem geben“.
Ist der Streit beigelegt, kann sich Kölmel auch ein Engagement beim anstehenden Stadionneubau vorstellen. Er kennt die Materie: „In Leipzig habe ich ja schon ein Stadion gebaut“. Für den Gigantismus der jahrelang diskutierten Varianten hat er wenig Verständnis: „Ein Luxusstadion wäre ein Klotz am Bein.“ Verzichte man auf Extravaganzen und baue beispielsweise einen Parkplatz statt einer Tiefgarage ließe sich ein Stadion für 60 statt 120 Millionen realisieren. „Auch VIPs können fünf Meter durch den Regen laufen“. Als abschreckende beispiele nennt Kölmel die Arenen in Dortmund, Schalke und München. „Die Allianz-Arena kostet Bayern 32 Millionen Euro im Jahr, finanziert wird das indem sie regelmäßig Anteile am Verein verkaufen“.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Bambule in Baden: Auf der Mitgliderversammlung des KSC ging es hoch her

„Ich bin extra von Berlin hierher gefahren, um eine schöne Versammlung zu erleben und einen gutes Präsidium zu wählen“, rief ein erschütterter KSCler den knapp 1500 in der Karlsruher Europahalle zusammengekommenen Vereinsmitgliedern zu. Der erste Wunsch des älteren Herren blieb schon mal unerfüllt. Ein Eklat jagte den nächsten und ließ den KSC zumindest in Sachen „peinliche Versammlungen“ mit Erstligisten wie Eintracht Frankfurt, Schalke oder dem HSV gleichziehen. Vor allem Präsidentschaftskandidat Rolf Kahn, Vater von Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn, polarisierte, indem er die Fans unter den Vereinsmitgliedern bezichtigte, nur unter Wahltaktischen Erwägungen zugunsten seines Gegenkandidaten Paul Metzger kurzfristig eingetreten zu sein: „Solche Leute brauchen wir hier nicht“. Die Fans reagierten mit wütenden Protesten, die Altmitglieder mit Rufen wie „Ihr wollt nur Blut und Schlägerei“.
Ihren Höhepunkt erreichten die Kampfhandlungen, als sich Wahlkampfhelfer Oliver Kahn - seit zwei Wochen KSC-Mitglied - zu Wort meldete. Der „Titan“ wurde ausgepfiffen, angepöbelt und beinahe tätlich angegriffen – ein besonders renitenter Anhänger wurde später von der Polizei Abtransportiert. „Mein Vater braucht mich nicht, mich treibt die Sorge um diesen Verein“, sagte Kahn. Hier sei er groß geworden und habe dem Verein viel zu verdanken. Seine Liebesbekenntnisse nahm ihm das Publikum trotz seiner 128 Bundesligaspiele im KSC-Trikot offenbar nicht ab und brüllte ihn nieder.
Ob Kalkül oder nicht, die vermeintliche Trumpfkarte Oliver Kahn erwies sich für den Vater als faules Ei. Am Ende setzte sich Lokalpolitiker Metzger mit absoluter Mehrheit gegen den ehemaligen Karlsruher Bürgermeister Siegfried König und eben Rolf Kahn durch. Ob wenigstens der zweite Mitgliederwunsch nach einem guten Präsidium in Erfüllung geht, muss sich nun weisen. Der Einstand des Neuen war jedenfalls noch nicht allzu viel versprechend: Der braungebrannte Metzger hatte einem Getränk, das von der badischen Sonne ebenfalls verwöhnt wird, offenbar reichlich zugesprochen: Mit schwerer Zunge sprach er die Mitglieder versehentlich als "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger" an und erklärte, er sei vom KSC „infisziert". Ob von blau-weißem Licht erleuchtet, vom KSC infiziert oder vom Alkohol beseelt, die Mitglieder haben ihre Wahl getroffen. Jetzt ist vom Präsidenten dieses zerrütteten Vereins Versöhnungsarbeit gefordert. Beim badischen Traditionsclub bleibt es weiter spannend.

Mittwoch, 30. September 2009

Präsidentschaftswahl beim KSC

Beim KSC wird heute ein neuer Präsident gekürt. Drei Kandidaten stehen zur Wahl. die Zukunft des Vereins auf dem Spiel und der Titan ist auch da. Verfolgt die Mitgliederversammlung hier live auf Twitter.

Ausgefeiert? Das Fest am Ende!

Wer lange Gesichter in den Dimensionen eines Nick Knatterton oder Joe Dalton witzig findet, der hätte sich bei der gestrigen Pressekonferenz des Karlsruher Stadtjugendausschusses zur Zukunft von „Das Fest“ vor Lachen gekugelt: Der Stadtschuss werde das beliebte gratis Musik Festival in der Günther-Klotz-Anlage zukünftig nicht mehr durchführen und sich verstärkt auf seinen eigentlichen Bildungs- und Betreuungsauftrag für Jugendliche Konzentrieren, verkündete dessen Vorsitzender Christian Klinger.
Die Erfahrung der letzten beiden Jahre habe die Grenzen der gegenwärtigen Organisationsform mit einem Verein als Träger deutlich aufgezeigt, den endgültigen Ausschlag für den Ausstieg die zum Teil problematische Sicherheitslage, vor allem während des Auftritts des Sängers Peter Fox am Sonntagabend, gegeben, sagte Klinger. Es sei nicht gelungen alle Rettungswege freizuhalten, so dass kollabierte Besucher teilweise über die Getränketheken haben abtransportiert werden müssen. „Es ist leider so, dass das Publikum uns das Geschehen diktiert“, räumte Festorganisator Rolf Fluhrer ein. „Konzerte werden immer teurer, deshalb kommen die Leute zu uns. Schließlich schenken wir jedem Besucher im Prinzip fünfzig Euro Eintrittsgeld. Es gehört in einem Umkreis von hundert Kilometern zum guten Ton aufs Fest zu gehen. Wenn dann Zehntausend vor den Eingängen stehen, kannst du das nicht mehr steuern.“
Wurde die Veranstaltung am legendären „Mount-Klotz“ also Opfer ihres eigenen Erfolges? Gleich dem Römischen Reich, das wegen imperialer Überdehnung den andrängenden Barbaren-, sprich Besucherhorden, nicht mehr Herr wurde und unterging? „Zugangsbeschränkungen wären in Zukunft unumgänglich“, erklärte Fluhrer. Solche sind mit dem Selbstverständnis des Stadtschusses allerdings unvereinbar. Man sei der Kinder- und Jugendarbeit verpflichtet, daher komme eine Zugangskontrolle, etwa durch das Erheben von Eintritt, nicht in Frage, sagte Klinger. Hinzu kämen die zunehmenden Probleme mit alkoholisierten Kindern und Jugendlichen, die man trotz des massiven Einsatzes von Jugendschutzteams nicht habe in den Griff bekommen können, erläuterte Schatzmeisterin Uta von Hoffe.
Insgesamt entstand der Eindruck, eine Fortführung der traditionsreichen Veranstaltung, sei für die Organisatoren auch bei optimalem Verlauf keine Option gewesen, was Klinger auch indirekt bestätigte: „Der Zustrom insgesamt ist zu groß und wir sind mit unseren Möglichkeiten am Ende.“ Ob das fünfundzwanzigste Fest allerdings tatsächlich das letzte war, ist offen. Sollte jemand die Organisation übernehmen wollen und ein überzeugendes Konzept vorlegen, wäre der Stadtschuss durchaus bereit die Marke „Das Fest“ freizugeben. „Derzeit haben wir aber definitiv niemanden“, sagt Geschäftsführer Klaus Pistorius. Das Interesse am Fest als einer der „Top Five“ Musikveranstaltungen in Deutschland ist jedenfalls ungebrochen. Rolf Fluhrer: „Gestern hat Bela B. angerufen und gefragt, ob er 2010 spielen darf.“ Du Bela, tut uns leid, aber wir müssen schon das Karlsruher Staatstheater mit 18 Millionen Euro pro Jahr bezuschussen, da ist die Kasse leer. Wenn Du allerdings die 100 000 Euro zuschießen, die wir für die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen bräuchten…

Dienstag, 29. September 2009

Das Fest vor dem Aus?

Steht das Fest vor dem aus? Der bisherige Veranstalter, Karlsruher Stadtjugendausschuss, scheidet nach 25 Jahren als Träger aus. Das verkündete der Vorsitzende Christian Klinger heute bei einer Pressekonferenz (ausführlicher Bericht morgen). Der Verein wird aich ab jetzt allein auf seinen eigentlichen Bildungs- und Betreuungsauftrag für Jugendliche konzentrieren. Ob die beliebte OA-Veranstaltung, neben der Rheinkultur in Bonn Deutschlands größtes Umsonst und Draußen-Festival, in Zukunft unter anderer Regie weiter stattfinden wird, ist derzeit völlig offen.

Donnerstag, 10. September 2009

Sheriffs, Bars und Stadtindianer: Der Werderplatz

Machen wir uns nichts vor, Karlsruhe ist Provinz, aber auch hier kann man an mancher Ecke einen Hauch Prenzlauer Berg erschnüffeln. Wie Berlins Szeneviertel ist die Südstadt geprägt von Studenten, Kulturinitiativen, Punkrockern, Ausländern und Trunkenbolden; ihr Herz schlägt am Werderplatz.
Der Platz zwischen Marienstraße und Wilhelmstraße wird beherrscht vom Indianerbrunnen - für die ihn krönende Indianerfigur soll ein echter Sioux, der der Legende nach in den 20er Jahren mit dem Zirkus Krone in der Fächerstadt weilte, Modell gestanden haben – dem Wahrzeichen des Viertels. Hier ist im Schatten großer Bäume auch wochentags schon am frühen Nachmittag was geboten: Von zu viel Feuerwasser beseelte Stadtindianer, die stets in kleinen Trupps auf den Stufen der Johanniskirche lagern, werden unter wohlwollender Aufsicht der Sheriffs vom anliegenden Polizeiposten ins Klinikum befördert, ein Kamerateam dreht - unabhängig davon - wohl für Wahlwerbespots und auch sonst pulst urbanes Leben. In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es Einkaufsmöglichkeiten für Waren in- und ausländischer Provenienz , Restaurants, Kneipen, ein Tätowiergeschäft, um die Ecke sind noch das Programm-Kino Schauburg und die berühmte Fußballkneipe Milano Bar.
In der Hausbrauerei Wolfbräu, kurz „Wolf“ genannt, berauscht sich die Kundschaft quer durch alle Kohorten und sozialen Schichten am gleichnamigen Hausbier. Wer etwas hipper sein möchte bekommt auch nebenan im luno sein „Wölfle“. Vorher war hier das der Gloriabar in Hamburg nachempfundene Gloria Süd. Der Laden konnte sich allerdings nicht halten; vermutlich wegen Wegbrechens wichtiger Thekenstützen des 2005 geschlossenen Irish Pubs Claddagh Ring, denen das ausgeschenkte Astra-Pils aus St. Pauli und die Techno-Musik offenbar nicht zusagten. Der Kohi-Kulturraum ein Stück weiter füllt sich erst abends mit Leben. Hier spielen Bands, lesen Autoren und tanzen Partywillige. Zwischendurch stärkt man sich im Balkanhaus oder mit einem Caffè im La Vita. Der jüngste Zuwachs der Werder-Familie ist das bento. Die Bar, Kneipe, Lounge ist bekannt für ihre preiswerten und leckeren Buffets. Draußen stehen ausrangierte Sitzmöbel im Nierentisch-Design. Das Publikum ist entsprechend: Szene-Leute, auch ausgemusterte. Wem das alles noch zu langweilig ist, dem bietet sich noch eine ganz besondere Attraktion: der bis 24Uhr geöffnete Nahkauf. Hier proben die Stadtindianer schon wieder den Nahkampf am Spirituosenregal. Die Sheriffs sind wieder in ihrem Polizeiposten verschwunden. (mex)

Donnerstag, 3. September 2009

Neuer KSC-Trainer: Markus Schupp stellt sich vor

Markus Schupp ist nun auch offiziell neuer Trainer beim KSC. Der 43-Jährige stellte sich auf einer soeben zuende gegangenen Pressekonferenz im Wildpark vor. Zunächst hieß es für die versammelten Journalisten allerdings Geduld üben. „Nach all den Dörfern, die ich durchfahren habe, bin ich nun endlich da“, witzelte der gebürtige Pfälzer Schupp über seine wegen Stau verspätete Anreise.
Als Trainer setzt der ehemalige Profi des 1. FC Kaiserslautern und Bayern München (mit beiden wurde er Deutscher Meister) allerdings auf hohes Tempo und schnelles Umschalten: „In der 2. Liga kannst du nur mit Kampfbereitschaft und bedingungsloser Hingabe bestehen.“
Als größtes Defizit der KSC-Mannschaft sieht der ablösefrei von Red Bull Salzburg - hier arbeitete er als Assistent von Huub Stevens - kommende Trainer die Verunsicherung der Spieler. Dem will der neue Übungsleiter abhelfen: „Ich habe das Auto vollgeladen mit Red Bull, wir können sofort anfangen zu saufen, um wieder auf die Beine zu kommen.“
Vordringliches Ziel ist es für Schupp, der beim KSC einen Vertrag bis zum 30.06.2011unterzeichnet hat, „die Zuschauer und Fans wieder auf unsere Seite zu ziehen. Das geht nur mit ehrlicher Arbeit, dann können wir auch wieder Erfolg haben.“
Auf die Möglichkeit, nach der kommenden Mitgliederversammlung am 30. September mit einem neuen Vorgesetzten Arbeiten zu müssen, reagierte der Trainer gelassen: „Ich werde weder Rolf Dohmen noch den Präsidenten trainieren.“
Die Mannschaft betreffend will er keine übereilten Personalentscheidungen treffen, Einzelgespräche führen und auch mit seinem Vorgänger Ede Becker sprechen. Doch eines steht für Schupp fest: „Bei mir steht das Team über allem. Fußball ist eine Leistungsgesellschaft, Erfolge von Gestern zählen nichts mehr, die muss man sich jeden Spieltag neu erarbeiten.“ (mex)

Montag, 31. August 2009

Tina Theune ist nicht der „Dritte Mann“

Beim KSC geht die Suche nach einem Nachfolger für den geschassten Trainer „Ede“ Becker offenbar weiter. KSC-Pressesprecher Jörg Bock kommentierte Gerüchte, die ehemalige Fußball-Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft und Frau des Jahres 2006, Tina Theune, sei der geheimnisvolle „Dritte Mann“ neben den Kandidaten Jürgen Kohler und Markus Schupp und werde heute als neue - und erste im männlichen Profifußball – Cheftrainerin im Wildpark unterschreiben, folgendermaßen: „Das würde mich sehr wundern. Die einzige Frau, die ich hier heute gesehen habe war unsere Busfahrerin.“
Schade eigentlich, denn ein wenig Sexappeal stünde dem derzeit reichlich zerzaust wirkenden Traditionsverein und seiner arg unattraktiv spielenden Mannschaft durchaus gut zu Gesicht. (mex)

Freitag, 28. August 2009

Wohin bei der Hitze III: Cocktails am Kinderspielplatz

Plätze gibt es – wie schon erwähnt - in Karlsruhe viele; lauschige, rauschige, stille und schrille. Ein langsam zu neuem Leben erwachender Geheimtipp ist der dreieckige Lidellplatz in der östlichen Innenstadt, an der Kreuzung Markgrafen- und Adlerstraße gelegen. Früher war hier das städtische Spital; ein Wohltäter der Einrichtung gab dem Ort seinen Namen. Erst 1907 bezogen die ersten Kranken das Klinikum in der Moltkestrasse.
Heute bleibt dem Besucher nur die Selbstmedikation in der Carlos Cocktailbar. Die macht hier bei gehobener- besonders im Vergleich zu den verbreiteten untrinkbaren Happy-Hour-Angeboten - Cocktailqualität richtig Spaß. Mit drei Mojitos und etwas Fantasie erinnert der Barkeeper mit seinem weißen Kittel dann sogar an das Pflegepersonal in der geschlossenen Psychiatrie. Und das genialste: etwaige Kinder sind auf dem benachbarten Spielplatz derweil bestens versorgt.
Hat der Alkohol mächtige Löcher in den Magen gerissen, die sich mit Carlos´ Tapas nicht stopfen lassen, wankt man leicht ein paar Meter weiter - den Spielplatz immer im Blick - zum Kleinen Ketterer. Gegessen wir hier zwar nicht ganz Preiswert, aber dafür gutbürgerlich. Gegenüber gäbe es noch den Gewerbehof, aber im Café Palaver trinkt die Öko-Boheme – Männer in roten, gelben oder grünen Jeans, Mädchen im Landfrauen-Look – von Gemüselasagne gesättigt ihren Capuccino. So leicht beschickert ist das heute nichts und den Spielplatz sieht man von dort auch nicht. Lieber noch ins Café Bohne und den Melasse-Geist mit ein, zwei Espressi austreiben. Zeit genug, sich noch ein wenig die Geschichte des Ortes zu vergegenwärtigen: Seine originelle Form verdankt das Areal dem Verlauf des Landgrabens, der den Karlsruhern zunächst als Transport-, später als Abwasserkanal diente. 1794 erteilte der Markgraf in seiner Weisheit allerdings einem Müller in Mühlburg die Konzession für eine Mühle. Durch deren Betrieb wurde der Landgraben einen Meter aufgestaut wurde. Das sollte sich rächen. Der Landgraben verschlammte und belästigte die Bürger im Sommer durch starke Geruchsentwicklung. Das Problem wurde gelöst, indem man die stinkende Kloake, die bei hohem Wasserstand obendrein die anliegenden Gebiete überschwemmte, mit einem Gewölbe überbaute. Die Kosten bürdete der fürstliche Verursacher freilich den Anwohnern auf, übertrug ihnen aber wenigstens das Eigentumsrecht an den neuen oberirdischen Flächen über dem Graben. Die Arbeiten nahmen am Lidellplatz ihren Anfang. Endlich mal eine kommunale Baumaßnahme, die sich gelohnt hat: Viel Platz zum Draußen sitzen, zum spielen und stinken tut´s auch nicht. (mex)

Dienstag, 11. August 2009

Wie war´s in Japan?

Wie war´s in Japan? Das ist Michael Bartsch so oft gefragt worden, dass er vor ein paar Jahren ein Buch mit demselben Titel geschrieben hat. Wie´s denn war oder vielmehr ist, wollte ich aus beruflichen Gründen auch wissen und habe den Karlsruher HfG-Professor und Medienrechtler Zuhause besucht - Ich hatte ihn und seine in Japan geborene Frau, die Konzertpianistin Okano Chisako, auf einer Grillparty kennen gelernt und mich selbst eingeladen, um etwas mehr über Ostasien zu erfahren. „In Japan wäre das unerhört“, lautet meine erste Lektion in fernöstlichen Umgangsformen, nachdem ich erst drei Minuten nach der verabredeten Zeit den Klingelknopf am Anwesen von Familie Bartsch betätigt hatte. „Zu früh ginge aber genauso wenig, in diesem Fall wartet man unauffällig um die Ecke“, erklärt mir der Hausherr. Ich verspreche stillschweigend mich daran zu halten.
Bei - gänzlich unasiatischen – Antipasti unterhalten wir uns über die geistigen Wurzeln der japanischen Kultur, die im Buddhismus, Konfuzianismus und Shintoismus liegen, Architektur, das Wetter und empfehlenswerte Reiseberichte, kommen aber immer wieder auf die viel zitierte japanische Höflichkeit zurück: Ob das beeindruckte „Oooooooohhhhhhh“, das mein japanischer Besuch bei jeder sich bietenden Gelegenheit - beim Anblick eines banalen Brunnens genauso wie angesichts der Burg Trifels - ausgestoßen hatte, nun Ausdruck wirklicher Begeisterung oder eher der Wertschätzung des Gastgebers gewesen sei, möchte ich wissen. „Sehen sie, dass ist eine typisch westliche Fragestellung, so was würde einem Asiaten nie einfallen“, sagt Bartsch. Trotz des intensiven Gesprächs bin ich am Ende eher verwirrt als klüger, doch zum Glück hat mir der Autor ja ein Exemplar seines Büchleins überlassen. Es ist sehr anekdotenhaft gehalten, doch gerade deshalb erfährt man mehr über Land und Leute als in so manchem Reiseführer. So ist im Kapitel „Höflichkeit“ zu lesen: „Ist sie Verstellung, diese japanische Höflichkeit? (…) Wie bei Wilhelm Busch: ‚Da lob’ ich mir die Höflichkeit – das zierliche Betrügen’? Im Gegenteil. Denn es gibt in der japanischen Höflichkeit nichts Unehrliches. (…) Die Kunst ist es nicht, eine schlechte Meinung zu verbergen, sondern keine schlechte Meinung zu haben.“ Da könnte man sich wirklich eine Scheibe abschneiden. „Ich wünsche Ihnen, dass es mit Ihrem Aufenthalt in Japan klappt, gerade Sie als wenig introvertierter und zurückhaltender Mensch könnten da einiges herausziehen“, hatte mir auch Bartsch mit auf den Weg gegeben. Sein Buch habe ich in einem Zug gelesen. (Bartsch, Michael: Wie war’s in Japan?, Karlsruhe 2005.)

Sonntag, 9. August 2009

Wohin bei der Hitze II: Schweinshaxen in der Toskana

Plätze und Orte, an denen man den lieben Gott einen guten Mann sein lassen kann, gibt es in Karlsruhe viele; lauschige und doch eher rauschige, stille und schrille. Der Gutenbergplatz in der Weststadt gehört zur ersten Kategorie; ganz klar. Mit seinen Cafés und den vielen Mög-lichkeiten zum Draußen sitzen hat er, was jugendliche heute eine „chillige Atmosphäre“, die Toskana-Fraktion „mediterranes Flair“ und Traditionalisten einfach „badische Gemütlichkeit“ nennen würden.
Wo bis 1829 Köpfe rollten und sich später die großherzoglichen Truppen im schießen übten, wird heute allenfalls noch Zielwasser getrunken. Im Sommer gleicht der Platz mit seinen Gaststätten, Cafes und Kneipen einem großen Biergarten. Das gilt allerdings nur für die Nordhälfte mit dem markanten Krautkopfbrunnen, der Rest wird die halbe Woche als Parkplatz missbraucht und gleicht dann leider eher einer Blechwüste. Dienstags, donnerstags und ist Markt und der ist mit seiner hundertjährigen Geschichte nicht nur der älteste, sondern für Kenner auch der schönste Markt in Karlsruhe.
Doch zurück zum eigentlichen Thema: Vor dem Großmudder's mampft die örtliche Rentner-Schickeria im Strandkörben vorzüglichen Apfelkuchen, während ernährungsbewusste Mütter um Foccacia anstehen. Gegenüber, vor der Bar Carpe Diem, sind einige total „szenig“ wirkende Endzwanziger gerade beim Frühstück, während im Café Carré die Ersten bereits Pizza ordern. Hier chillt sogar die Bedienung: Länger habe ich noch selten auf meine Bestellung gewartet. Doch unter den alten Linden zu sitzen und dem Plätschern des großen, mit dem kupfernen Krautkopf bekrönten, Brunnens zu lauschen entschädigt für Vieles. Wer es weniger mediterran mag, bestellt sich einfach im Gasthaus Gutenberg eine Schweinshachse. Obwohl, die Bayern verstehen ja angeblich auch was von Gemütlichkeit.

Donnerstag, 6. August 2009

Fenrich will kleineres Stadion

Das Thema neues Fußballstadion wurde in den Karlsruher Medien inzwischen so oft durchgekaut, dass damit befasste Journalisten eigentlich nur noch ein neues Datum in ihre alten Artikel einfügen müssten; alles war schon mal da, alles wurde schon mal gesagt und man fühlt sich als Schreiber fast peinlich berührt, den Leser mit weiteren „Neuigkeiten“ vom Stand des allgemeinen Stillstandes zu behelligen. Aber irgendwie kommt man ja nicht drumrum: Weil die Stadt Karlsruhe wegen der Wirtschaftskrise den Gürtel enger schnallen muss, will Oberbürgermeister Heinz Fenrich im Wildpark jetzt doch kleinere Brötchen backen. Nur noch 30.000 statt den bisher angepeilten 40.000 Sitzplätzen, will Fenrich (CDU) beim Bau einer neuen Fußballarena verwirklichen. Als Grund nannte der die Wirtschaftskrise. Beim KSC wollte man sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
Als weiteren Grund nannte Fenrich, dass es im nach der Kommunalwahl neu zusammengesetzten Stadtrat keine Mehrheit für eine größere Variante gebe. Eine Umfrage bei den Fraktionen bestätigte diese Einschätzung allerdings nicht in dieser Eindeutigkeit. Sollten sich CDU und SPD einigen wäre lediglich eine weitere Stimme notwendig. „Wir standen bisher hinter einem Neubau mit 30.000 bis 35.000 Sitzplätzen“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Florian Furtak, „von daher nähert sich der OB unseren Vorstellungen an“. Furtak räumt allerdings ein, dass man das Stadion-Projekt wegen der angespannten Haushaltslage eventuell neu bedenken müsse. „Es ist alles offen“, wird die Fraktionsvorsitzende Doris Baitinger deutlicher. „Für 2010 hat das Regierungspräsidium vom Gemeinderat ein Konsolidierungskonzept für den Haushalt verlangt.“ Bis dieser vorliegt, stehen alle laufenden Ausgaben auf dem Prüfstand. Das macht Investitionen in die Zukunft nicht einfacher.
„Die finanzielle Lage ist nun mal ein Fakt“, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Thorsten Ehlgötz. Erst einmal müssten allerdings die Pläne des Investors Newport, der an der Durlacher Allee ein neues Stadion errichten möchte, auf dem Tisch liegen. „Dann kann man sich Gedanken machen“, sagt Ehlgötz. Die Verwaltung habe den Auftrag mit Newport zu verhandeln. Ergebnisse dieser Gespräche erwartet er für September. „Dann brauchen wir zeitnah die Aussage vom KSC, ob er mit einsteigt“, sagt Ehlgötz. „Wäre der Bundesligist vor anderthalb Jahre auf die Umbaupläne der Stadt eingegangen, hätten wir jetzt schon angefangen“.
Lüppo Kramer von der KAL, die im Gemeinderat über drei Sitze verfügt, zeigt sich vom neuen Vorstoß Fenrichs überrascht: „Für ein Stadion mit 35.000 Sitzplätzen könnte man eine Mehrheit bekommen, drunter sollte man nicht gehen. Meine Fraktion würde das mittragen.“ Wichtig wäre Kramer vor allem, dass 10.000 Variositze, die sich in Stehplätze umwandeln ließen, geschaffen werden. „Damit sich auch junge Leute weiterhin eine Karte leisten können.“
Die FDP möchte weiterhin „die für die Stadt günstigste Lösung“, erklärt Fraktionsvorsitzende Rita Fromm. Favorisiert wird die Zusammenarbeit mit einem privaten Investor. Newport müsse aber endlich sagen was Sache ist: „Absichtserklärungen sind zu wenig“, so Fromm. Weiter müsse der KSC endlich erklären was er will, nicht nur Vorstellungen sondern konkrete Mitarbeit seien gefragt. Auch solle der Bürgermeister Fakten zu seinen Plänen präsentieren. „Es liegt ja nichts vor,“ sagt Fromm. – Die Grünen stehen einem Stadion Um- oder -Neubau nach wie vor ablehnend gegenüber, genauso die Linke.
Enttäuscht aber nicht überrascht von den neuen Plänen ist die Fan-Dachorganisation Supporters: „Es war abzusehen, dass es auf die günstigste Lösung herausläuft, da müssen sich Stadt und KSC gleichermaßen an die eigene Nase fassen“, sagt Tom Beck. „Wir halten in jedem Fall an unserer Forderung nach mindestens 10.000 Stehplätzen fest.“
Nach dieser kleinen Umfrage hat sich bei mir der Eindruck verfestigt, den Akteuren – oder vielmehr Nicht-Akteuren, denn das Wort impliziert Handeln - mangelt es vor allem an einer fundamentalen Eigenschaft, die es braucht um etwas zu bewegen: Eigeninitiative. Es wird das Fehlen von Fakten bemängelt – sollen andere ihre Pläne erklären oder sagen „was Sache ist“. Aber: Wo sind Tatkraft, Energie, der Wille voranzukommen? Überall Fehlanzeige!
Wie viele Stadien, die in anderen Städten für kleineres Geld als in Karlsruhe wie Pilze aus dem Boden schießen, hat der Gemeinderat bisher besucht? Ein einziges! Das wollte man dann eins zu eins übernehmen. Der SPD-Fraktion fällt als Mittel zur Kostenreduktion nichts anderes als eine geringere Zuschauerkapazität ein. Die FDP fordert den Bürgermeister auf, im Städtetag anzuregen, mit dem DFB über die Auflagen für Stadien neu zu verhandeln. Hätte hier der FDP-Baubürgermeister in den entsprechenden Gremien nicht schon längst tätig werden können? Die Fans des Zweitligisten Union-Berlin haben 140.000 Arbeitsstunden unentgeltlich in den Umbau der Spielstätte ihres Clubs investiert. Könnten die Karlsruher Fanorganisationen nicht wenigstens die maroden Toiletten auf Vordermann bringen wenn sonst niemand dazu in der Lage ist? Fällt dem Traditionsverein um aktuelle sowie potentielle Partner – und vor allem die eigenen Anhänger - zu begeistern nicht mehr ein, als der ewige Sermon, man habe kein Geld und bräuchte mehr Einnahmen? – Dass sich die nicht einmal halbherzig verfolgten Ziele der Beteiligten dann noch unterscheiden, fällt angesichts dieser Fantasielosigkeit kaum noch ins Gewicht.

Montag, 3. August 2009

Der Film "Alle Anderen" hat in Berlin mächtig abgeräumt. Ich fand ihn eher langweilig, aber mit Regisseurin Maren Ade wars nett:

Erst hat der Film „Alle Anderen“ den Silbernen Bären für "Beste Regie" bei den Filmfestspielen von Berlin abgeräumt – den für die Beste Hauptdarstellerin (Birgit Minichmayr)) auch noch -, dazu Auszeichnungen im Ausland und bei Frauenfilmfestivals. Ein ganz schöner Kulturschock, wenn man seinen letzten Film noch in den Wäldern (Der Wald vor lauter Bäumen, 2003) um ein Dorf wie Hohenwettersbach bei Karlsruhe gedreht hat. Maren Ade hat dieses Jahr also schon einiges mitgemacht an Trubel. Trotzdem lässt es sich mit der Jung-Regisseurin prima Plaudern: Nein, sie sei eher Überrascht davon, dass Chris (gespielt von Lars Eidinger), der männliche Teil des Paares, das sich in der Abgeschiedenheit eines Ferienhauses auf Sardinien durch die Untiefen des ersten gemeinsamen Urlaubs kämpft, so negativ empfunden würde. Es sei ihr auch um kein spezielles Frauenbild gegangen, sondern um das Bild einer Beziehung. Tatsächlich hat Ade, die das Karlsruher Helmoltz Gymnasium besuchte (eigentlich müsste sie mit meiner ersten Knutsch-Freundin in dieselbe Klasse gegangen sein, habe ich vergessen zu fragen), weniger ein Bild gemalt, las ein Foto im Dreifachzoom geschossen: Die verschiedenen Situationen die Chris und seine Freundin Gitti in ihrer Zweisamkeit durchleben sind Konfliktklassiker. Sie nervt mal mit aufgekratztem Geplapper, mal mit bohrenden Fragen zu seinem Gefühlsleben. Er kann nicht über seine Probleme reden, ist aber beleidigt, dass ihn niemand versteht. Um die Situation zusätzlich zu verschärfen, hockt man die ganze Zeit. Das kann nicht gut gehen.

„Man will ja nie so sein wie andere, orientiert sich dann aber doch immer sehr stark an ihnen“, erklärt die 32-Jährige, die auch das Drehbuch schrieb, den Titel ihres Films. „Am Anfang führen Chris und Gitti einer sehr gleichberechtigte Beziehung. Später treffen sie auf ein anderes Paar und orientieren sich nach und nach an dessen klassischerem Rollenverständnis. Am Ende haben sie sich gemeinsam verirrt und spüren auch ihre eigene Falschheit.“ Mit trockenem Humor und erbarmungsloser Genauigkeit beobachtet Ade das Paar in der Krise: geheime Rituale, unerfüllte Wünsche, Machtkämpfe, Verletzungen und intime Albernheiten werden offengelegt. Bei letzteren spielt „Schnappi“, ein Gnom mit der Physiognomie von Walter-Moers-Figuren, den Chris aus einer Ingwerknolle und zwei Streichhölzern bastelt, eine Hauptrolle. „Schnappi war am schwierigsten zu besetzen,“ erzählt die Regisseurin, die auch den Produzentenjob übernommen hatte. „Ich bin in Berlin tagelang durch die Gemüseläden gepilgert. Die dachten schon ich spinne, weil ich immer kam wenn neuer Ingwer geliefert wurde und mir die ganzen Knollen angeguckt habe.“ Doch kein Schnappi ward gefunden und der Job auf die Besetzungs-Abteilung abgewälzt: „Ich habe zur Casterin, Nina Haun, gesagt: ,du musst Schnappi finden’,“ vergebens. Schließlich wurde Schnappi kurzerhand zur Requisite erklärt und das Problem der Ausstattung zugeschoben. Der Mann der Ausstatterin fand schließlich die passende Wurzel. Trotz aller Mühen: Das Ingwermännlein ging in Berlin leer aus. Den Darstellerpreis erhielt wie schon erwähnt die wenig gnomenhafte Österreicherin Minichmayr. Da hatte nicht nur Schnappi, sondern auch Demi Moore keine Chance. Maren Ade wundert das nicht, sie schnaubt nur: „Ja Gott, Demi Moore“.

Als Konsument fand ich „Alle Anderen“ mindestens eine Stunde zu lang (Laufzeit 124 Minuten), für alle anderen läuft er Fr., 14.8., im Open Air Kino am Schloss Gottesaue in Karlsruhe.

Samstag, 1. August 2009

Wer wissen will, was es eigentlich bedeutet KSC-Fan zu sein, sollte Göhringer lesen

Ich erinnere mich an eine Sendung auf dem unabhängigen Lokalsender Querfunk, in der jemand sagte, KSC-Fan zu sein bedeute, nichts zu erwarten und trotzdem noch entteuscht zu werden. Wohl kein Verein in Deutschland hat so eine Berg- und Talfahrt hinter sich wie der KSC - vom FC Kaiserslautern vielleicht einmal abgesehen -. Höhenflügen in Bundesliga und UEFA-Cup folgte der totale Absturz in die Regionalliga, beinahe die Pleite und schließlich die Wiederauferstehung mit Talenten aus der eigenen Jugend, für die der Club einst berühmt war.

In seinem Debüt »In guten wie in schlechten Tagen« erzählte der Autor Frank Göhringer von den wechselhaften Anfängen des Karlsruher Sport Club, dem kometenhaften Aufstieg bis ins UEFA-Cup-Halbfinale und vom Abstieg in die 2. Liga, wo man in der Zwischenzeit wieder gelandet ist. Auf die Verantwortlichen, Präsidium, Management und Trainer, hagelt es Kritik. Einige scheinen in ihrem Anspruchsdenken vergessen zu haben, wo der Club noch vor kurzem stand, andere mit der gegenwärtigen Situation allzu sorglos umzugehen. Beides gute Gründe Göhringers Buch »Herzenssache« von 2007 wieder einmal zur Hand zu nehmen. Es beginnt mit dem Start in die Regionalliga Süd, der schwersten Zeit des Clubs.

Statt Valencia oder Rom hießen die Ziele von Auswärtsfahrten nun Elversberg und Pfullendorf. Der Autor war immer dabei und zeichnet ein ebenso lebendiges wie ergreifendes Bild von Niedergang und Wiedergeburt, das Antiken Dramen in nichts nachsteht: Das Erlebte entbehrt nicht der Tragik und selten des Humors. Denn während sich die Besucher anderer Volksbelustigungen wie Kino, Theater oder Konzerten üblicherweise amüsieren, bezahlt der gemeine Fußballfan noch dafür sich aufzuregen. Das Spiel beflügelt zwar einerseits die Fähigkeit seiner Anhänger glücklich zu sein, genauso bestärkt es aber deren Hang sich unglücklich zu machen: Der natürliche Zustand des Fußballfans sei der, herber Enttäuschung, unabhängig vom Spielstand, schreibt Nick Hornby sinngemäß in seinem Bestseller Fever Pitch. So gesehen bekommt man beim KSC meistens etwas für sein Geld.

Natürlich sind Göhringers Bücher, gleich dem Spiel, das sie preisen, oberflächlich gesehen banal: Männer fahren hunderte von Kilometern um Bier zu trinken und anderen Männern dabei zuzuschauen wie sie auf einer Wiese einem Ball hinterherlaufen und versuchen diesen in eines von zwei Toren zu treten - meistens erfolglos. Doch darunter eröffnet sich eine Welt voller Gefühl, Liebe, Eifer und Taten, voller Begeisterung für eine maßlose Vergeudung von Zeit und Kräften, völlig sinnfrei und doch von so vielen geteilt. Wer in diese Welt eintauchen und wissen will was Fußball eigentlich bedeutet, sollte Göhringer lesen. Fußball lebt vom Heldentum, aber ein Held erlangt seine Bedeutung erst durch die Erinnerung seiner Getreuen; und die stehen auf den Rängen. Ein Mythos kann nur Wirklichkeit werden, wenn er geglaubt wird. Göhringer ist ein Glaubensapostel mit einem gewissen Hang zur Selbstkasteiung - oder sollte man angesichts der vergangenen Eskapaden seines geliebten Clubs vielleicht besser Märtyrer sagen -, doch genau darin besteht das Lesevergnügen. Göhringer ist kein Fußballphilosoph, wie der lange in Karlsruhe lehrende Gunter Gebauer (Poetik des Fußballs) und kein Hofberichterstatter wie Peter Putzing (Badens Blaues Wunder), Frank Göhringer ist Fan. Schlicht und ergreifend. Und so schreibt er auch. (mex)

Wohin bei der Hitze I.

Die Stadtmitte befindet sich im Zentrum von Karlsruhe. Was sich ließt wie eine Binsenweisheit oder ein neuer Slogan der berüchtigten fächerstädtischen Vermarktungsstrategen („viel vor, viel dahinter“), beschreibt lediglich die geographische Lage eines beliebten Tanzclubs, und der heißt: Die Stadtmitte.

„Der Name, rührt von der launigen Idee, dass die Beschilderung der Stadt den Besucher zumindest in die Nähe des Clubs führt“, erklärt Geschäftsführer Frank Sollmann. Hinter den Mauern der ehemaligen Oberpostdirektion am Ettlinger Tor spielt sich seit nunmehr vier Jahren weit mehr ab als gewöhnlicher Kneipenbetrieb. Der massive denkmalgeschützte Altbau aus den dreißiger Jahren mit dem markanten Turm beherbergt bunt ausgestattete Räumlichkeiten mit Bar, Café, Tanzfläche, Veranstaltungssaal und im Innenhof einen riesigen Biergarten.

Hat der Besucher das mächtige stachelbewehrte Stahltor - bis zur Postreform 1993 schützte es die Postbeamten des Regierungsbezirks Nordbaden – passiert, öffnet sich vor ihm ein weites begrüntes Atrium. Trotz der Hitze weht ein laues Lüftchen, zwischen Orleander-Büschen, beschattet von Palmen und quadratischen Sonnenschirmen, entspannen junge Damen beim Latte vom anstrengenden Shopping im nahe gelegenen Einkaufszentrum. Einige Anzugträger genehmigen sich ein Feierabendbier. Vom Lärm der Strasse ist kaum etwas zu hören, mal schauen ob das auch während der Bauarbeiten zur U-Strab so bleibt.

Doch ist das nur die Ruhe vor dem Sturm: An warmen Abenden öffnet sich der große zeltartige Schirm in der Mitte des Innenhofs. Auf der von ihm beschatteten Tanzfläche zucken bald die ersten „After-Work-Party-People“. Drinnen lassen wechselnde DJs die Teller kreisen; gespielt wird vornehmlich elektronische Tanzmusik. Über dem bespiegelten Flur blinkt ein grüner Laser und leitet den Gast vor die Tür des orangenen Festsaals. Hier spielen regelmäßig Bands von Avantgarde-Pop bis Extrem-Metal, auch Lesungen und Improtheater gehören zum Programm.

Im von Musikclub Substage, Badischem Staatstheater und Einkaufszentrum gebildeten Dreieck gelegen, könnte man die Trias Sub-, Hochkultur und Konsum durchaus als programmatische Eckpunkte der Stadtmitte-Macher bezeichnen. Ursprünglich wollten Christian Pulkert und der inzwischen verstorbene Eduardo Malagon in Freiburg oder woanders eine „Zweigstelle“ ihres Karlsruher Clubs Carambolage aufmachen. Eine geeignete Örtlichkeit fand sich aber trotz intensiver Suche nicht. An die jetzige Location kamen die beiden gelernten Architekten durch Zufall. Trotz oder gerade wegen ihres Bohème-Charakters hat die Stadtmitte lediglich ein Problem: Wo Subkultur und Mainstream aufeinander treffen, ist das Party-Publikum nicht weit: An manchen Tagen ist der Anteil gebräunter Stutzer mit Haarölaffinität überproportional hoch. Noch kann dies unter Vielfalt verbucht werden.(mex)