Samstag, 1. August 2009

Wer wissen will, was es eigentlich bedeutet KSC-Fan zu sein, sollte Göhringer lesen

Ich erinnere mich an eine Sendung auf dem unabhängigen Lokalsender Querfunk, in der jemand sagte, KSC-Fan zu sein bedeute, nichts zu erwarten und trotzdem noch entteuscht zu werden. Wohl kein Verein in Deutschland hat so eine Berg- und Talfahrt hinter sich wie der KSC - vom FC Kaiserslautern vielleicht einmal abgesehen -. Höhenflügen in Bundesliga und UEFA-Cup folgte der totale Absturz in die Regionalliga, beinahe die Pleite und schließlich die Wiederauferstehung mit Talenten aus der eigenen Jugend, für die der Club einst berühmt war.

In seinem Debüt »In guten wie in schlechten Tagen« erzählte der Autor Frank Göhringer von den wechselhaften Anfängen des Karlsruher Sport Club, dem kometenhaften Aufstieg bis ins UEFA-Cup-Halbfinale und vom Abstieg in die 2. Liga, wo man in der Zwischenzeit wieder gelandet ist. Auf die Verantwortlichen, Präsidium, Management und Trainer, hagelt es Kritik. Einige scheinen in ihrem Anspruchsdenken vergessen zu haben, wo der Club noch vor kurzem stand, andere mit der gegenwärtigen Situation allzu sorglos umzugehen. Beides gute Gründe Göhringers Buch »Herzenssache« von 2007 wieder einmal zur Hand zu nehmen. Es beginnt mit dem Start in die Regionalliga Süd, der schwersten Zeit des Clubs.

Statt Valencia oder Rom hießen die Ziele von Auswärtsfahrten nun Elversberg und Pfullendorf. Der Autor war immer dabei und zeichnet ein ebenso lebendiges wie ergreifendes Bild von Niedergang und Wiedergeburt, das Antiken Dramen in nichts nachsteht: Das Erlebte entbehrt nicht der Tragik und selten des Humors. Denn während sich die Besucher anderer Volksbelustigungen wie Kino, Theater oder Konzerten üblicherweise amüsieren, bezahlt der gemeine Fußballfan noch dafür sich aufzuregen. Das Spiel beflügelt zwar einerseits die Fähigkeit seiner Anhänger glücklich zu sein, genauso bestärkt es aber deren Hang sich unglücklich zu machen: Der natürliche Zustand des Fußballfans sei der, herber Enttäuschung, unabhängig vom Spielstand, schreibt Nick Hornby sinngemäß in seinem Bestseller Fever Pitch. So gesehen bekommt man beim KSC meistens etwas für sein Geld.

Natürlich sind Göhringers Bücher, gleich dem Spiel, das sie preisen, oberflächlich gesehen banal: Männer fahren hunderte von Kilometern um Bier zu trinken und anderen Männern dabei zuzuschauen wie sie auf einer Wiese einem Ball hinterherlaufen und versuchen diesen in eines von zwei Toren zu treten - meistens erfolglos. Doch darunter eröffnet sich eine Welt voller Gefühl, Liebe, Eifer und Taten, voller Begeisterung für eine maßlose Vergeudung von Zeit und Kräften, völlig sinnfrei und doch von so vielen geteilt. Wer in diese Welt eintauchen und wissen will was Fußball eigentlich bedeutet, sollte Göhringer lesen. Fußball lebt vom Heldentum, aber ein Held erlangt seine Bedeutung erst durch die Erinnerung seiner Getreuen; und die stehen auf den Rängen. Ein Mythos kann nur Wirklichkeit werden, wenn er geglaubt wird. Göhringer ist ein Glaubensapostel mit einem gewissen Hang zur Selbstkasteiung - oder sollte man angesichts der vergangenen Eskapaden seines geliebten Clubs vielleicht besser Märtyrer sagen -, doch genau darin besteht das Lesevergnügen. Göhringer ist kein Fußballphilosoph, wie der lange in Karlsruhe lehrende Gunter Gebauer (Poetik des Fußballs) und kein Hofberichterstatter wie Peter Putzing (Badens Blaues Wunder), Frank Göhringer ist Fan. Schlicht und ergreifend. Und so schreibt er auch. (mex)

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