Samstag, 1. August 2009

Wohin bei der Hitze I.

Die Stadtmitte befindet sich im Zentrum von Karlsruhe. Was sich ließt wie eine Binsenweisheit oder ein neuer Slogan der berüchtigten fächerstädtischen Vermarktungsstrategen („viel vor, viel dahinter“), beschreibt lediglich die geographische Lage eines beliebten Tanzclubs, und der heißt: Die Stadtmitte.

„Der Name, rührt von der launigen Idee, dass die Beschilderung der Stadt den Besucher zumindest in die Nähe des Clubs führt“, erklärt Geschäftsführer Frank Sollmann. Hinter den Mauern der ehemaligen Oberpostdirektion am Ettlinger Tor spielt sich seit nunmehr vier Jahren weit mehr ab als gewöhnlicher Kneipenbetrieb. Der massive denkmalgeschützte Altbau aus den dreißiger Jahren mit dem markanten Turm beherbergt bunt ausgestattete Räumlichkeiten mit Bar, Café, Tanzfläche, Veranstaltungssaal und im Innenhof einen riesigen Biergarten.

Hat der Besucher das mächtige stachelbewehrte Stahltor - bis zur Postreform 1993 schützte es die Postbeamten des Regierungsbezirks Nordbaden – passiert, öffnet sich vor ihm ein weites begrüntes Atrium. Trotz der Hitze weht ein laues Lüftchen, zwischen Orleander-Büschen, beschattet von Palmen und quadratischen Sonnenschirmen, entspannen junge Damen beim Latte vom anstrengenden Shopping im nahe gelegenen Einkaufszentrum. Einige Anzugträger genehmigen sich ein Feierabendbier. Vom Lärm der Strasse ist kaum etwas zu hören, mal schauen ob das auch während der Bauarbeiten zur U-Strab so bleibt.

Doch ist das nur die Ruhe vor dem Sturm: An warmen Abenden öffnet sich der große zeltartige Schirm in der Mitte des Innenhofs. Auf der von ihm beschatteten Tanzfläche zucken bald die ersten „After-Work-Party-People“. Drinnen lassen wechselnde DJs die Teller kreisen; gespielt wird vornehmlich elektronische Tanzmusik. Über dem bespiegelten Flur blinkt ein grüner Laser und leitet den Gast vor die Tür des orangenen Festsaals. Hier spielen regelmäßig Bands von Avantgarde-Pop bis Extrem-Metal, auch Lesungen und Improtheater gehören zum Programm.

Im von Musikclub Substage, Badischem Staatstheater und Einkaufszentrum gebildeten Dreieck gelegen, könnte man die Trias Sub-, Hochkultur und Konsum durchaus als programmatische Eckpunkte der Stadtmitte-Macher bezeichnen. Ursprünglich wollten Christian Pulkert und der inzwischen verstorbene Eduardo Malagon in Freiburg oder woanders eine „Zweigstelle“ ihres Karlsruher Clubs Carambolage aufmachen. Eine geeignete Örtlichkeit fand sich aber trotz intensiver Suche nicht. An die jetzige Location kamen die beiden gelernten Architekten durch Zufall. Trotz oder gerade wegen ihres Bohème-Charakters hat die Stadtmitte lediglich ein Problem: Wo Subkultur und Mainstream aufeinander treffen, ist das Party-Publikum nicht weit: An manchen Tagen ist der Anteil gebräunter Stutzer mit Haarölaffinität überproportional hoch. Noch kann dies unter Vielfalt verbucht werden.(mex)

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