Montag, 2. November 2009

Public Tatort Viewing

Sonntagabende sind ja meist eher unglamourös bis langweilig. In der Bundesliga ruhen die Bälle und auch der eigene Körper hätte nach den überstandenen Vergnügungsexzessen eine Pause verdient. Darüber hinaus ist die Spaßkasse nach zwei Tagen Feierei ohnehin ziemlich leer. Doch wie ein Stubenhocker - oder neudeutsch: Couchpotato – auf dem Sofa lümmelnd versauern? Nein! Die Lösung: Public-Tatort-Viewing.
In der Szenekneipe kap in der Karlsruher Kapellenstrasse hat diese Einrichtung bereits Tradition. Will man ein gutes Plätzchen ergattern, also eines bei dem keine Afrofrisuren oder modischen Zipfelmützen den Blick auf die Großbildleinwand behindern, empfiehlt es sich, dieses spätestens nach der ersten Weltspielgelhalbzeit einzunehmen. Verkürzen lässt sich die Wartezeit hier problemlos mit einer spontanen Weinprobe: Neben Pfälzer Rebensaft vom hauseigenen Winzer, stehen über fünfzig Weine aus aller Welt zur Auswahl. Dazu gibt es kleine Gerichte und eine abwechslungsreiche Tageskarte - Puristen können auch Chips oder Erdnüsse ordern.
So weit, so gut, möchte man meinen, doch hat der Krimigenuss in großer Runde auch seine Tücken, insbesondere für Fußballsozialisierte. Zwischenrufe wie „schieß doch“, „geh rann, Mann“ oder auch nur „ich weiß wer´s war“, sind verpönt – andererseits läuft ständig jemand durchs Bild. Das Ruhediktat macht es selbst unmöglich, mit der reizenden Nachbarin vom Nebentisch, die durch bezauberndes Lächeln und der kurz vor dem Mord noch schnell geflüsterten Ansage, sie komme immer hierher, wenn ihr sonntags allein zu hause die Decke auf den Kopf falle, auf sich aufmerksam gemacht hat, in Verbale Interaktion zu treten. Erwischt man dann noch einen Rohrkrepierer wie "Tempelräuber" mit den Münsteranern Thiel und Boerne ist das besonders bitter. Könnte man die Tischnachbarin doch nun durch schlagfertige wie scharfzüngige Kommentare auf die albernen Dialoge nachhaltig beeindrucken. Ist man dann noch gezwungen den Ort des Geschehens noch vor der endgültigen Aufklärung zu verlassen, weil die Leser am nächsten Tag eine Konzertbesprechung erwarten, bleibt nur eines: Selber zum Serientäter werden und auf eine zweite Chance hoffen. Vielleicht fällt ihr bald mal wieder die Decke auf den Kopf und manchmal ist der Tatort ja auch so unterhaltsam wie diesen Sonntag „Schweinegeld“ mit den Berliner Ermittlern Ritter und Stark.

2 Kommentare:

  1. Jetzt habe ich diesen Text mit zugegeben etwas müden Augen gelesen (danke dafür - auch wenn ich in der Bewertung der beiden Tatort-Episoden nicht d'accord gehe) und nun flimmert mir das Nachbild derart auf der Netzhaut, dass ich erstmal nichts sehe.

    Mit anderen Worten: Kann man Dich davon überzeugen, künftig schwarzen Text auf weißem Grund zu nutzen?

    Ein Gelegenheitsbesucher
    (aber nicht die Nachbarin vom Nebentisch, der sonntags die Decke auf den Kopf fällt)

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  2. "Tatort" im "kap" ... Mist, das habe ich auch schon lange nicht mehr getan. Vielleicht demnächst mal wieder? Qualität ist da nicht entscheidend, es geht ja eher um ... ähm ... ja, die Kommunikation.

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