Machen wir uns nichts vor, Karlsruhe ist Provinz, aber auch hier kann man an mancher Ecke einen Hauch Prenzlauer Berg erschnüffeln. Wie Berlins Szeneviertel ist die Südstadt geprägt von Studenten, Kulturinitiativen, Punkrockern, Ausländern und Trunkenbolden; ihr Herz schlägt am Werderplatz.
Der Platz zwischen Marienstraße und Wilhelmstraße wird beherrscht vom Indianerbrunnen - für die ihn krönende Indianerfigur soll ein echter Sioux, der der Legende nach in den 20er Jahren mit dem Zirkus Krone in der Fächerstadt weilte, Modell gestanden haben – dem Wahrzeichen des Viertels. Hier ist im Schatten großer Bäume auch wochentags schon am frühen Nachmittag was geboten: Von zu viel Feuerwasser beseelte Stadtindianer, die stets in kleinen Trupps auf den Stufen der Johanniskirche lagern, werden unter wohlwollender Aufsicht der Sheriffs vom anliegenden Polizeiposten ins Klinikum befördert, ein Kamerateam dreht - unabhängig davon - wohl für Wahlwerbespots und auch sonst pulst urbanes Leben. In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es Einkaufsmöglichkeiten für Waren in- und ausländischer Provenienz , Restaurants, Kneipen, ein Tätowiergeschäft, um die Ecke sind noch das Programm-Kino Schauburg und die berühmte Fußballkneipe Milano Bar.
In der Hausbrauerei Wolfbräu, kurz „Wolf“ genannt, berauscht sich die Kundschaft quer durch alle Kohorten und sozialen Schichten am gleichnamigen Hausbier. Wer etwas hipper sein möchte bekommt auch nebenan im luno sein „Wölfle“. Vorher war hier das der Gloriabar in Hamburg nachempfundene Gloria Süd. Der Laden konnte sich allerdings nicht halten; vermutlich wegen Wegbrechens wichtiger Thekenstützen des 2005 geschlossenen Irish Pubs Claddagh Ring, denen das ausgeschenkte Astra-Pils aus St. Pauli und die Techno-Musik offenbar nicht zusagten. Der Kohi-Kulturraum ein Stück weiter füllt sich erst abends mit Leben. Hier spielen Bands, lesen Autoren und tanzen Partywillige. Zwischendurch stärkt man sich im Balkanhaus oder mit einem Caffè im La Vita. Der jüngste Zuwachs der Werder-Familie ist das bento. Die Bar, Kneipe, Lounge ist bekannt für ihre preiswerten und leckeren Buffets. Draußen stehen ausrangierte Sitzmöbel im Nierentisch-Design. Das Publikum ist entsprechend: Szene-Leute, auch ausgemusterte. Wem das alles noch zu langweilig ist, dem bietet sich noch eine ganz besondere Attraktion: der bis 24Uhr geöffnete Nahkauf. Hier proben die Stadtindianer schon wieder den Nahkampf am Spirituosenregal. Die Sheriffs sind wieder in ihrem Polizeiposten verschwunden. (mex)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen